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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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seit ungefähr fünf Jahren verwitwet. Er hat ein eigenes Haus, ganz weit draußen in Dun Laoghaire. Es ist großartig, braucht nur einen neuen Anstrich. Ich könnte es wunderschön herrichten. Er hat zwei Söhne, aber die kenne ich nicht, sie sind vor ein paar Jahren nach Australien ausgewandert. Er ist ein gesetzter Mann, dreiundfünfzig, aber schließlich und endlich bin ich auch nicht mehr die jüngste, fünfunddreißig mittlerweile. Aber man sieht mir mein Alter nicht an, ich gehe immer noch als achtundzwanzig durch.
    Frank möchte, daß ich ihn heirate. Er ist ein anständiger, freundlicher Mann, und ich wünschte, ich wäre in ihn verliebt, aber ich glaube nicht, daß ich das je sein werde. M sieht er kein bißchen ähnlich, das ist immerhin etwas. Er ist nicht besonders groß und hat blaue Augen und ist blond. Vielleicht könnte ich lernen, ihn zu lieben?
    Schon jetzt mag und achte ich ihn. Kann ich denn in meinem Alter mehr erwarten? Wir haben uns darauf geeinigt, daß ich es mir durch den Kopf gehen lasse. Ich muß gestehen, ich hätte gern ein Kind, mehr als alles andere wünsche ich mir das. Nachdem Jimmy gestorben war, hätte ich nie gedacht, daß ich das je sagen würde; er war wie mein eigenes. Ich schätze, ich habe immer ein bißchen Angst gehabt, wenn ich ein Baby bekäme, könnte es zurückgeblieben sein wie Jimmy. Das ist komisch, weil, bei ihm hat mir das nie was ausgemacht. Ihm zuliebe habe ich nicht aufgegeben, als Ma uns im Stich gelassen hat.
    Muß ich Frank das alles erzählen? Von mir und Ma und alldem? Einen Daddy habe ich nie gehabt. Den habe ich nur erfunden. Ich habe aufgehört, mir selber etwas vorzulügen, deshalb will ich das Leben mit Frank nicht mit Lügen anfangen. Dafür habe ich zu viel Achtung vor ihm. Ein bißchen Zeit gebe ich mir noch.

21
    Maria wartete schließlich mit einem Trumpf auf und brachte mich auf die Spur des Experten für Bucheinbände. Zumindest auf die einer Buchhändlerin, die mich in die entsprechende Richtung wies.
    Als ich die Tagebücher las, nahm meine anfangs noch vage Absicht, Lilys Freund zu finden, Gestalt an und wurde zugleich immer dringlicher. Abgesehen von dem Buchstaben M hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie er hieß, aber ich wußte, er war ohne jeden Zweifel zusammen mit meiner Mutter der Verfasser eines erstaunlichen Berichts über den gleichen Mord, von dem Arthur Reynolds so pathetisch gesprochen hatte und der sich auch, soweit ich sagen konnte, mit ziemlicher Sicherheit auf den »Vorfall« bezog, auf den ich im Zeitungsarchiv gestoßen war.
    Kein Wunder, daß das Datum mir irgendwie bekannt vorgekommen war. Das Wichtige war der Mord am 31. Mai 1941 in der Daedalian Road. Ich konnte gar nicht verstehen, wieso mein Gehirn so lange gebraucht hatte, um diese Verbindung herzustellen. An genau der gleichen Stelle war Lily gestorben. Das warf mich schier um. Sie war Zeugin des ersten Mordes, an Reynolds Vater, gewesen. War es ein zu großer Gedankensprung, daraus den Schluß zu ziehen, daß Arthur Reynolds oder sein Handlanger Hanion sie umgebracht hatten? Und wenn sie Lily getötet hatten, dann stand mit Sicherheit jetzt der andere Zeuge, M, in der Schußlinie.
    Jetzt war mir natürlich klar, hinter was sie her gewesen waren. Irgendwie mußten sie von der Existenz der Tagebücher erfahren haben. Aber wie? Sie waren so sorgsam versteckt gewesen. Mit aller Kraft versuchte ich, mein Denken auf jeweils einen Punkt zu richten, jeden Gedanken zu Ende zu denken. Doch von allen Seiten stürmten Zweifel auf mich ein. Hätte Reynolds die Vermutung geäußert, daß meine Mutter ermordet worden war, wenn er selber der Täter war? Nur wenn er leicht geistesgestört war, wie ich vorschnell angenommen hatte. Mit Sicherheit wußte er etwas; suchte nach irgend etwas oder irgend jemandem. Nach wem? Nach was? Wenn er nicht der Mörder war, wer dann? Arbeitete er mit Hanion zusammen? Wer war der nächste auf der Abschußliste? M? Oder ich, natürlich. Aber warum? Warum? Warum?
    Wer interessierte sich schon für einen Mord, der fünfzig Jahre zurücklag? Möglicherweise Ms Schwester, aber wie alle anderen war auch sie aus dem Bild verschwunden, ein weiteres Opfer des habgierigen Reynolds. Es gab jede Menge Leute am Rande, aber nachdem ich die Tagebücher gelesen hatte, war mir klar, die Hauptfiguren des Dramas waren in jener Nacht alle in der Daedalian Road gewesen. Über sie oder ihre Nachkommen mußte ich mir den Kopf zerbrechen. Und über die Tatsache, daß

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