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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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vorbei.
    Na, tröstete ich mich, das wird dem Schlingernden Horst gut tun. Früher hab ich ihn ja immer versägt.
    »Nun leg mal 'nen Zahn zu«, blaffte er mich von der Seite an. »Lass dich nicht so hängen! Scheiße, mit einem Paar gesunder Beine kann es doch nicht so schwer sein, das bisschen Gepäck den Hügel hier hochzutragen!«
    Ach ja?, schäumte ich innerlich. Pass mal schön auf, dass du nicht gleich mitsamt deinem blöden Rollstuhl den Steilhang hier runterrodelst!
    Angestachelt versuchte ich noch eine Weile gegenzuhalten, doch Atzes Atem ging ruhig und gleichmäßig, und seine Beine stemmten wie Hydraulikstempel, und Horst legte den ganzen Frust aus Jahren schlingernder Niederlagen in seine Armarbeit, und so zogen sie mir Dezimeter um Dezimeter davon.
    Was mich aber schließlich davon abhielt, schlappzumachen, umzufallen, liegen zu bleiben und geduldig mein Ableben zu erwarten, war Frau Doktor Marx.
    Wir alle haben unsern Stolz, und sie, gezogen von dem keuchenden Alexander und geschoben von der maulfaulen Ostbacke, hinter mir herannahen zu hören in einem nicht enden wollenden Schwall von Lamento, trieb mich den Berg hoch, wie es Peitschenhiebe nicht besser vermocht hätten.
    Dann erst, am Ziel, vor der kargen Bretterbude, die unser Nachtquartier werden sollte, brach ich zusammen, sank zu Boden und sehnte den Tod herbei.
    Der nicht kam. Dafür schickte er mir den Toni, sein Werk zu vollenden.
    »Hattest du nicht gesagt, du hättest noch andere Schuhe dabei?«, fragte er mich, wie ich da lag und japste. Um ihn loszuwerden, deutete ich matt auf mein Gepäck und ächzte: »Da drin.«
    Nun, meinte er, dann sei es an der Zeit, sie anzuziehen. Die Container, die wir als Nächstes holen wollten, seien >um einiges schwerer als die erste Fuhre<.
    >Kleiner, leichter Job, eigentlich ganz auf meiner Linie<, dachte ich und knirschte mit den Zähnen im Angedenken an Hauptkommissar Menden.
    Alle, und allen voran Frau Dr. Marx, beschwerten sich am nächsten Morgen, wie furchtbar einige der Mitglieder schnarchten, doch ich hatte gepennt wie ein Klotz und niemanden schnarchen gehört.
    Sobald nach dem Abendessen - an das ich praktisch keine Erinnerung mehr hatte, genauso wenig wie an weite Strecken der dritten Tour - der Toni seine Wanderklampfe ausgepackt und die Aufmerksamkeit des einen großen Ess-, Schlaf- und Aufenthaltsraumes der Baracke auf sich gelenkt hatte, war ich in meinem Schlafsack verschwunden, hatte mit einem heimlichen Schluck aus der Rumflasche vier Rohypnol runtergespült und so gnädigerweise auch von dem nervtötenden Geschrammel und dem schauerlichen Singsang nicht mehr viel mitbekommen. Ich musste schlafen, ich wusste es, und es war mir auch gelungen, und Gott sei Dank traumfrei obendrein.
    Nach dem Frühstück (Müsli. Körnerfutter. Auch noch die Marke, für die mit diesem entsetzlichen schwäbischen Akzent so penetrant im Radio geworben wird. Hätte ich das vorher gewusst ... ) wurden wir Sherpas zusammentrieben und bepackt wie die Esel, während der gehandicapte Rest der Truppe unter der Aufsicht von Frau Dr. Marx zurückblieb und >Fang den Hut< spielte oder in der Nase popelte oder was auch immer.
    Heute, erklärte uns der Toni, ging es über die Baumgrenze, wo wir Basislager leinrichten würden.
    Wow, dachte ich. Wie am Everest. Ich sah mich schon mit eisverkrusteten Brauen in die Kamera grinsen, blinzelnd im grellen Sonnenlicht des Gipfels.
    »Kristof«, riss mich der Toni aus meinen Träumereien, »wo sind, verdammt noch mal, deine Bergstiefel?«
    »Da«, antwortete ich knapp und zeigte nach unten. Ich brauchte nicht hinzusehen, doch der Toni meinte, einen längeren und viel sagenden Blick senken zu müssen auf mein Schuhwerk. Vorwurfsvoll, habe ich, glaube ich, vergessen hinzuzufügen. Vorwurfsvoll war er auch noch, der Blick.
    »Das sind Turnschuhe«, stellte der Toni fest, in einem auf seinen Augenausdruck abgestimmten Tonfall. Wären es Stilettos gewesen, an meinen Füßen, oder Tigertatzen-Plüschpantoffeln, der Tonfall hätte nicht abgestimmter ausgefallen sein können.
    »Basketballschuhe«, korrigierte ich ihn. Wir waren alle gesattelt und gepackt, die Riemen der Tragevorrichtung auf meinem Rücken schnitten mir in die Schultern, ich wollte los, es hinter mich bringen, und er meinte, mich beschulmeistern zu müssen, der Toni. »Und da wir hier weder Court noch Korb zur Verfügung haben und auch keinen Ball dabei, werde ich sie als Bergstiefel missbrauchen, so wie ich sie in den

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