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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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wirkte seltsam aufgebläht und entrüstet, auf die selbstgerechte Art.
    »Klar doch«, sagte ich, weil es, egal worum es gehen mochte, eh kein Entrinnen gab, und folgte seinem leichtfüßigen Trippelschritt in den aus Brettern zusammengenagelten Unterstand. Drinnen warteten schon der Toni und die Frau Doktor auf uns. Im Hintergrund, hinter dem Stahlgestell mit den fauchenden Gasflammen, agierte Christine, spuckte gerade in unser Abendbrot, wenn ich recht sah, während der wurstäugige Großvatermörder an ihrer Seite eine Hand voll Strychnin hinzugab.
    Ich wache gleich auf, mit Infusionsschläuchen in beiden Armen, und eine Schwester beugt sich über mich und erklärt mir mit sanfter Stimme, dass dies alles hier nur ein Traum ist. Dass das ganze vergangene Jahr nur ein Traum war. Oh ja.
    Jemand aus unserer dreiköpfigen Expeditionsleitung erzwang meine Aufmerksamkeit mit einem ungeduldigen Räuspern.
    Vor ihnen auf dem Tisch lag, fein säuberlich aufgeteilt, der Inhalt meines Rucksacks. Alle meine Sachen. Meine komplette Privatsphäre, auf einer Reise wie dieser. Ungefragt hervorgekramt und ausgebreitet zur allgemeinen, missbilligenden Begutachtung.
    Ein purpurner Schleier umwölkte meine Sinne, ein leichtes Zittern überkam mich, und Schweiß perlte mir von Stirn und Nacken. Der einzige Grund, warum ich den dreien nicht augenblicklich an die Kehle ging, war der, dass ich mich nicht entscheiden konnte, wem zuerst.
    Frau Dr. Marx fingerte interessiert in meiner Pillensammlung herum. Dr. Weifenheim betrachtete die Rumflasche, als handele es sich dabei um den letzten noch ausstehenden Beweis für die Existenz des Teufels. Toni stand nur da mit verschränkten Armen und schüttelte den Kopf in milder persönlicher Enttäuschung.
    Nimm ihn zuerst, dachte ich. Zieh ihm die Pulle über den Schädel, dann schlitzt du mit dem abgebrochenen Flaschenhals der alten Zicke die Gurgel auf, und den kleinen dicken Doc lässt du erst mal entkommen und hetzt ihn ein bisschen durch die Gegend, bevor du ihn fertig machst ...
    »Sie schulden uns eine Erklärung«, meldete sich Frau Doktor zu Wort.
    »Ich«, hörte ich mich sagen. »Ihnen.«
    Tu es. Tu es einfach. Was hast du zu verlieren? Die paar Jahre mehr oder weniger .
    Während die Finger meiner Rechten in der Parkatasche schon den Lederschutz von der Schneide meines Schlachterbeils streiften, musste ich mich praktisch gewaltsam daran erinnern, dass auf mich am Ende dieser Reise gar keine Zelle wartete, sondern ein Scheck.
    Mehrstellig genug, der Scheck, für zwei wonnige Wochen unter dem Dach von Betty Ford. Tür an Tür mit Kate Moss, möglicherweise. (>Well, Kristof, we obviously can't have a drink in here. Or do drugs. But nobody can forbid us to ...<)
    »Mich plagt ein Scheißgefühl bei dieser ganzen Aktion«, hatte Menden mir mit auf den Weg gegeben. »Doch ich habe einen guten Kollegen bei der Kantonspolizei«, war er fortgefahren, »mit dessen voller Unterstützung Sie rechnen können, sollte da oben irgendein Problem auftauchen.«
    »Das Experiment läuft sehr gut an«, fand Dr. Weifenheim. »Das einzige Problem bisher sind Sie.«
    »Sie haben vertraglich zugesichert, völlig frei von Drogen zu sein«, erinnerte mich die Ärztin. Belehrungen. Auch ein Hobby.
    »Und in guter körperlicher Verfassung«, meinte mich der Toni tadeln zu müssen, nachdem ich jetzt den zweiten Tag in
    Folge Lasten durch die Gegend geschleppt hatte, bis mir die Kotze hochkam.
    »Und wie sich nun herausstellt, ist nichts davon wahr«, resümierte der Psychologe.
    »Nicht nur, dass Sie das Regelwerk grob missachten, nein, Sie gefährden durch Ihr Verhalten auch noch leichtfertig das Leben der Ihnen anvertrauten gesundheitlich Angeschlagenen oder Benachteiligten unserer Gruppe.«
    Simone Marx hatte eine Stimme, die mal in hohen Tönen überzuschnappen drohte, mal in ein Schluchzen auszuarten. Wenn ich irgendwann in meinem Leben nahe daran gekommen bin, jemanden im Rollstuhl zu schlagen, dann jedes einzelne Mal, wenn sie den Mund aufmachte. »Ja, Sie kommen hier an mit einem ganzen Bauchladen von Drogen! Wollen Sie uns alle umbringen?«
    Frag nicht, dachte ich, nahezu gelähmt vor kalter Wut. Nur mein Mundwerk lief wie gewohnt, unter Anschuldigungen.
    »Den Alkohol brauche ich zum Einreiben«, sagte es, »die bunten Kapseln und Tabletten sind nichts als Vitamine und Aufbaupräparate, und .«
    »Und was ist das hier?«, unterbrach mich die Ärztin und stupste ein paar Packs mit dem Finger an.

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