Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
nicht so leicht loszuwerden. »Es sagt, es sei wirklich, wirklich wichtig, Euer Gnaden.«
Er würde keine Ruhe haben, solange diese Sache nicht erledigt war. »Ach … also schön.« Stellan seufzte und blickte Jaxyn flüchtig an. »Es tut mir leid, es wird nicht lange dauern.«
Der junge Mann erhob sich. »Schön. Rede nur mit deinem Gastwirt. Ich suche mir inzwischen etwas Nützliches zu tun, einverstanden?«
»Sei nicht so. Bitte. Bleib.«
Jaxyn sank zurück auf seinen Platz und sah entschieden unglücklich aus, aber er sagte nichts weiter. Stellan wünschte, er hätte die ganze Angelegenheit anders gehandhabt. Er wandte sich Tassie zu. »Führ ihn herein, Tassie. Und das nächste Mal klopfst du erst an.«
»Ja, Euer Gnaden«, versprach sie und verließ rückwärts den Raum.
Gleich darauf betrat Arkadys alter Freund, der einarmige Gastwirt, das Studierzimmer und sah sich ehrfurchtsvoll um. Er war noch nie zuvor im Palast gewesen, und offensichtlich überwältigte es ihn. Jaxyn verschränkte gereizt die Arme und sah finster drein.
Stellan zwang sich zu einem künstlichen Lächeln und hoffte, dass die Angelegenheit von Clyden Bell nicht lange dauern würde. »Master Bell! Was fuhrt Euch in den Palast? Ich fürchte, Arkady ist nicht hier, aber ich kann sie bitten, Euch zu besuchen, sobald …«
»Arkady ist der Grund meines Besuchs, Euer Gnaden«, sagte Clyden und nahm verlegen seinen Hut vom Kopf, als er vor dem großen Schreibtisch des Fürsten stand. »Ich weiß, dass Eure Gemahlin nicht hier ist, weil ich sie vor weniger als drei Stunden noch gesehen habe.«
Stellan runzelte die Stirn. »Ist ihr etwas passiert, Clyden?«
»Sie wurde mitgenommen, Euer Gnaden.«
»Mitgenommen?«, fragte Jaxyn, dessen Interesse plötzlich geweckt war. » Wohin mitgenommen?«
»In die Berge«, antwortete der alte Mann. »Zumindest war das die Richtung, die sie einschlugen, als sie den Gasthof verließen. Die Fürstin, der Irre mit der Axt und ein ganzer Trupp Feliden. Ich habe keine Ahnung, was da vor sich ging, aber Eure Crasii haben den Befehlen von Lady Arkady keine Beachtung geschenkt. Wenn er einer Eurer Männer ist, hat er auf eigene Faust gehandelt, wenn Ihr versteht, was ich meine, und die Fürstin als Geisel genommen.«
Stellan starrte den einarmigen Mann an und bezweifelte nicht, dass er die Wahrheit sagte, aber er konnte sich nicht erklären, welcher bizarre Umstand dazu geführt haben sollte, dass Arkady mit einer Gruppe Feliden zu Clyden Beils Gasthof gereist war.
»Ich dachte, Arkady wäre bereits vor dem Essen zum Kerker gefahren?«, sagte Jaxyn, der ebenso verblüfft war wie Stellan.
»Ist sie auch.« Stellan schloss die Augen, als ihm ein schrecklicher Gedanke kam. Er öffnete sie wieder und sah Clyden an. »Hatte dieser Mann … der Irre mit der Axt … einen Namen?«
»Kyle? Lyle? Irgendetwas in der Art«, sagte Clyden und zuckte mit den Schultern. »Als sie eintrafen, war er in Ketten, aber dann befahl er den Crasii, ihn freizulassen, und sie fielen auf die Knie, als wäre er ein Gott oder so etwas. Und dann, nach der Sache mit der Axt, stahl er einige Pferde und …«
»Welche Sache mit der Axt? Ist Arkady verletzt?«
Clyden schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Hab nicht alles gesehen, aber ich sah das Blut, und nachdem sie weg waren, fand ich … nun … dies …« Er langte in die Tasche seiner Weste, holte ein kleines Päckchen hervor, das in blutverschmiertes Leinen eingewickelt war, und legte es vor Stellah auf den Tisch. Beklommen entfernte der Fürst den Stoff und starrte mit wachsender Furcht auf den blutigen Inhalt. Jaxyn beugte sich neugierig nach vorn und zuckte dann zurück, die Hand vor dem Mund.
»Bei den Gezeiten!«, rief er erschrocken aus. »Ist es das, wofür ich es halte?«
Stellan nickte düster. »Menschliche Finger.«
»Wessen Finger?«, fragte Jaxyn entsetzt.
»Nicht Arkadys«, stellte er erleichtert fest, da die Finger zu groß waren, um von einer Frauenhand zu stammen. Von den Crasii waren sie auch nicht, den fehlenden Krallen nach zu urteilen. »Verdammt!«
Jaxyn sah ihn seltsam an.
»Arkady wollte unbedingt beweisen, dass unser unsterblicher Prinz nicht unsterblich ist«, erläuterte er auf Jaxyns fragenden Blick hin. »Sie schlug vor, ihm ein paar Finger abzuhauen, um das ein für alle Mal zu klären.«
Jaxyn war fassungslos. »Glaubst du, dass Arkady das getan hat?«
Stellan antwortete ihm nicht, überzeugt, dass Jaxyn sein Schweigen richtig deutete.
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