Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Fuchsteufelswild über Taryx' Verrat wartete sie ab, bis er die Hütte verließ, die er mit seiner sterblichen Liebhaberin teilte, und knöpfte sich dann die junge Frau vor.
Natürlich wäre es völlig sinnlos gewesen, Taryx körperlich etwas anzutun. Sie kann ihn ja nicht umbringen. Jede körperliche Verletzung heilt in wenigen Stunden – schlimmstenfalls wäre er nach ein paar Tagen vollständig genesen. Aber sie konnte seiner Frau eine Welt voller Schmerzen bereiten, und sie konnte seinem Kind Schaden zufügen. So bescherte sie ihm eine lebendige Erinnerung daran, welche Torheit es gewesen war, sie zu verschmähen.
Die ahnungslose junge Frau war in dem kleinen Schweinestall hinter den übrigen Stallungen und verfütterte Speisereste an eine große Sau mit einem hungrigen Wurf neugeborener Ferkel, als Elyssa und Krydence sie stellten. Es war wohl das Quieken der Schweinchen, das Elyssa auf ihre Idee brachte. Von Wut und Eifersucht getrieben kreischte sie, ihre Rivalin sei eine fette, hässliche alte Sau, dann packte sie ein Ferkel, drückte es gegen den Bauch der sterblichen Frau und zwang es auf magische Weise durch ihr Fleisch hindurch, in die Gebärmutter hinein und in den Körper des Kindes, das sie in sich trug.
»Wie werden ja sehen, wie sehr er dich und deine ekelhafte sterbliche Brut jetzt noch liebt, du schmutzige Sau!«, verkündete Elyssa, als es vollbracht war.
Es ist ein Beweis für die Stärke der jungen Frau, dass der Schock von Elyssas drastischem Angriff sie nicht auf der Stelle tötete. Vielleicht hat Elyssa sie auch im Sinne von Taryx' Bestrafung mit Gezeitenmagie geheilt, weil sie mehr an der Missgeburt interessiert war, zu deren Austragen die Frau nun verdammt war, als an ihrem Tod.
Aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls ließ Elyssas bizarre Rache Taryx’ schwangere Liebste traumatisiert, aber lebend zurück, und einen Monat später brachte sie ein Lebewesen zur Welt, welches der allererste Crasii war.
Was nun kommt, sagt viel darüber aus, wie weit wir uns von der Menschlichkeit entfernt haben. Statt mit Abscheu auf das Grauen zu reagieren, dass seiner Liebsten angetan wurde, war Taryx nur fasziniert von dem Lebewesen, das Elyssa in ihrem Zorn geschaffen hatte. Taryx ist kein besonders begabter Magier, aber er ist ziemlich flink darin, eine gute Gelegenheit zu erkennen, wenn sie sich ihm bietet. Mehr als alles andere wollte er wissen, wie sie es erschaffen hatte, und sobald das Kind geboren war, eilte er nach Tenatien, um den anderen das Ergebnis zu präsentieren und das Geheimnis selbst zu erlernen.
Ich habe weder erfahren, was aus Taryx’ unglückseliger Liebsten wurde, noch habe ich das erste Mischwesen je gesehen. Lukys erzählte mir, dass das Halb-Ferkel-halb-Kind nur wenige Monate gelebt hat. Aber die Unsterblichen hatten ein neues Hobby – sie mussten nur noch ein paar verzwickte kleine Nebensächlichkeiten in den Griff kriegen, zum Beispiel die gewaltige Sterbequote der menschlichen Mütter.
Für die Erzeugung von Crasii-Sklaven waren ja nur zwei Rohstoffe vonnöten: ein beliebiges Tier, dessen typische Eigenschaften wir der Mischung beigeben wollten, und jede fruchtbare Frau, die wir nur in die Finger kriegen konnten. Es war kein schönes Geschäft. Tatsächlich dauerte es fast ein Jahrhundert, bis Elyssa auf eine erfolgreiche Methode stieß, die Spezies zu vermischen und die Mütter am Leben zu erhalten, damit sie ein zweites oder drittes Mal fruchtbar werden konnten. Aber schließlich fand sie die richtige Formel, und die Crasii waren geboren.
All das ereignete sich in meiner Abwesenheit, da ich mich zu der Zeit nicht inTenatien aufhielt. Ich trug die Geschichte aus verschiedenen Quellen zusammen, und als ich Engarhod, Syrolee und ihre Familie wieder traf, waren die Crasii längst ein fester Tatbestand und wurden in solchen Mengen gezüchtet, dass sie sich schon als eigenständige Unterart etabliert hatten.
Selbstverständlich setzte nicht jeder von uns Crasii-Sklaven ein. Einige der Unsterblichen waren dogmatisch dagegen. Wäre Medwen nicht gewesen – Medwen, die Ratgeberin, wie Euer törichtes Tarot sie nennt, auch wenn nur die Gezeiten wissen, warum –, so hätte ich mich wohl auch nicht mit ihnen abgegeben.
Übrigens war es Brynden aus Fyrenne, der als Erster die Bezeichnung ›Gezeitenfürsten‹ prägte.
Diala schickte ihn mehrere hundert Jahre vor mir ins Feuer. Brynden war seinerzeit Soldat, als Söldner angeheuert, um die Schiffsladungen mit Gold aus
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