Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
vollzupacken. Amaleta hustete höflich und machte einen tiefen Knicks, als wir uns nach ihr umdrehten.
»Ist das im Moment alles, Herr?«
»Wohnst du hier?«, fragte Jaxyn und beäugte die junge Frau neugierig. Sie war nicht allzu groß, aber ihre Haut war sehr hell im Kontrast zu dem dunklen Haar, das zu einem losen Zopf geflochten war. Am deutlichsten erinnere ich mich an ihre Augen. Sie waren dunkel … die Farbe späten Zwielichts …
»Meinen Eltern gehört dieses Gasthaus, Herr«, muss sie geantwortet haben, glaube ich … oder etwas in dieser Art. Ich war zu fasziniert von diesen Augen, um darauf zu achten, was sie sagte.
»Hättest du gern eine Arbeit, Amaleta?«
Diese Frage beendete abrupt meine müßigen Träumereien.
» Herr ?«, keuchte sie und schnappte nach Luft, beinah ebenso erschrocken wie ich über Jaxyns Vorschlag.
Mein Begleiter lachte sanft. »Eine Anstellung. Verstehst du – bezahlte Beschäftigung. Mein guter Freund hier braucht ein Kindermädchen, das sich um seinen Schützling kümmert.«
Amaleta fiel auf die Knie und senkte den Kopf in demütiger Dankbarkeit. »Ich atme nur, um Euch zu dienen, Herr. Wenn meine Götter wünschen, dass ich ihnen diene, kann ich mich natürlich nicht weigern …«
»Oh, steh doch auf!«, befahl ich ungeduldig und blickte Jaxyn finster an.
»Ich glaube, er will nicht, dass du ihm huldigst«, sagte Jaxyn zu ihr, wobei er mich angrinste, als amüsierte ihn meine Gereiztheit. »Ich glaube, er ist mehr daran interessiert, zu erfahren, ob du fähig bist, dich um Fliss zu kümmern.«
»Ich glaube, sie ist nett«, sagte Fliss mit vollem Mund durch den Raum.
»Da! Na bitte!«, verkündete Jaxyn. »Könnte es eine bessere Empfehlung geben? Nun, willst du die Stellung oder nicht?«
Amaleta starrte uns sichtlich verwirrt an. »Ihr meint … Ihr würdet mich bezahlen?«
»Sofern man den Begriff Anstellung nicht kürzlich neu definiert hat -ja, Lord Cayal wird dir ein Gehalt zahlen. Ich schätze, er sollte auch deine Eltern für die Unannehmlichkeit entschädigen, aber das dürfte kein Problem sein. Er ist ein Gezeitenfürst. Er kann es sich leisten.«
»Das ist eine zu große Ehre, Herr!«
»Ich bezweifle, dass du in ein paar Tagen noch so denkst, Amaleta. Fliss ist manchmal eine ganz schöne Nervensäge, und Cayal kann einem furchtbar auf die Nüsse gehen. Willst du nun die Stellung oder nicht?«
»Jaxyn!«, erhob ich Einspruch. »Ich denke, wir sollten …«
»In der Tat!«, fiel Jaxyn ein, bevor ich meinen Satz beenden konnte. »Ich denke auch, wir sollten – aber du bist ja wohl zu schlappschwänzig, um deinen Auftrag schnell zu erledigen, sondern musst dich offenbar erst noch durchringen. Also brauchen wir in der Zwischenzeit ein Kindermädchen. Nun, Amaleta? Wie lautet deine Antwort?«
»Ich könnte so ein Angebot unmöglich ablehnen!«
»Dann komm von deinen verdammten Knien hoch. Geh und sag deinen Eltern, dass du morgen früh mit uns aufbrichst. Und schick deinen Vater herein. Fürst Cayal muss noch veranlassen, dass ein weiteres Pferd bereitgestellt wird. Ich bin sicher, er hat nicht vor, den ganzen Weg im Schritt zu reiten, nur weil du zu Fuß hinter uns her tippelst. Kannst du reiten?«
»Ja, Herr«, versicherte sie und kam auf die Füße.
Jaxyn strahlte mich an. »Siehst du! Sie stellt bereits ihren Wert unter Beweis. Dann ab mit dir, Mädchen.«
Amaleta flüchtete, während ich Jaxyn anstarrte. »Du hast gerade irgendein Mädchen eingestellt, über das du nichts weißt und das wahrscheinlich noch nie mehr als fünf Meilen von ihrem Dorf entfernt war.«
Jaxyn zuckte mit den Schultern. »Ich improvisiere eben. Solltest du natürlich vorhaben, bald zu tun, was du versprochen hast, dann wäre ein Kindermädchen für deine kleine Freundin da drüben eigentlich gar nicht nötig, oder?«
Darauf gab es nichts zu antworten … oder jedenfalls fiel mir nichts Passendes ein. Also sagte ich nichts und ärgerte mich, weil mir nichts anderes übrig blieb, als Jaxyns Spiel mitzuspielen und zu tun, als hätte ich noch vor, Fliss zu töten. Und so zog ich Amaleta in ein Drama hinein, dass sie am Ende weit mehr kosten würde, als sie im Sold eines Gezeitenfürsten jemals verdienen konnte.
51
Als Warlock am nächsten Morgen erwachte, knurrte sein Magen vor Hunger. Er lag zusammengerollt auf einem alten Stück Fell, das Boots ihm geliehen hatte. Er schauderte, setzte sich etwas steif auf und blickte sich im Zwinger um. Bei Tageslicht
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