Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Freien zu verbringen. Nicht zu dieser Jahreszeit.«
»Guter Plan«, stimmte Jaxyn zu, während er absaß. »Ich meine, wir wollen ja nicht riskieren, dass unser Mädchen eine Lungenentzündung kriegt und daran stirbt, oder? Das wäre tragisch.« Bevor ich etwas erwidern konnte, sah Jaxyn sich um und fügte hinzu: »Du weißt, dass es Tumult und Chaos auslösen wird, wenn zwei Gezeitenfürsten ohne Vorwarnung in ein Dorf dieser Größe kommen und nach Zimmern fragen.«
»Lässt sich nicht ändern«, sagte ich achselzuckend.
Wie Jaxyn vorhergesagt hatte, sorgte die unangekündigte Ankunft von zwei Gezeitenfürsten in dem kleinen Dorf für ziemlichen Tumult. Wir waren in Tenatien gut bekannt, und sobald wir auftauchten, füllte sich der Hof mit Menschen, bis es nur so wimmelte. Die meisten warfen sich zu unseren Füßen nieder und überschlugen sich beinah vor Eifer, ihren Göttern jeden Wunsch zu erfüllen.
Ihre Ergebenheit überraschte mich nicht. Die Gezeiten standen seit mehreren hundert Jahren hoch, und Engarhod und Syrolee waren sehr gut in ihrem Geschäft. Alle Sterblichen, die im Schatten des Kaisers und der Kaiserin der Fünf Reiche lebten, reagierten so auf unseres-gleichen. Zumindest taten sie es damals in Tenatien. Ich schätze mal, jetzt, nach dem langen Ausbleiben der Flut, dürfte auch ihnen nicht viel mehr als Euer erbärmliches Tarot zur Erinnerung an uns geblieben sein.
»Ich atme nur, um Euch zu dienen, Herr«, plärrte eine Frau und warf sich vor mir auf die Knie, als ich aus dem Gasthaus kam, wo ich mit dem Besitzer gesprochen hatte. Ich trat einen Schritt zurück, bevor sie meine Füße küssen konnte – das ist wirklich ein ekelhaftes Gefühl, wisst Ihr, wenn irgendein Wildfremder einem die Füße beschlabbert. Sie war eine ältere Frau, vermutlich die Gattin des Gastwirts. In ihrem Kielwasser drängten sich mehrere junge Frauen durch die Menge, ohne Zweifel die Töchter des Hauses. Sie fielen neben ihrer Mutter auf die Knie, zu verängstigt, um uns in die Augen zu sehen. Hinter ihnen waren noch mehr Leute, ungewaschen und unzivilisiert, und alle wollten uns mit offenen Mündern begaffen und zu Füßen ihrer Götter herumkriechen.
Fliss zog ihren Umhang etwas enger und schmiegte sich Schutz suchend an Jaxyn angesichts der Menschenmenge, die in kürzester Zeit so angewachsen war, dass inzwischen das ganze Dorf hier sein musste. Einige von ihnen trugen Fackeln, deren tanzender Schein Löcher in die rasch einsetzende Dunkelheit stieß. Sie sahen eher wie marodierender Pöbel aus als wie ein neugieriger Volksauflauf.
»Räumt den Hof!«, verlangte ich.
Die Menge beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten, bis nur noch die Gattin und die Tochter des Gastwirts übrig blieben. Der Rest sammelte sich draußen auf der Straße und strengte sich an, mitzukriegen, was innerhalb der Hofmauern vor sich ging.
»Seid Ihr taub, Weib?«, schnauzte ich die fußfällige Sterbliche und ihre Tochter an.
»Mein Ehemann … dies ist sein … unser Wirtshaus«, nuschelte die Frau in die Pflastersteine.
»Dann steht auf, um der Gezeiten willen!«
Die Frau kam auf die Beine, gefolgt von ihren drei Töchtern. Sie waren zwischen fünfzehn und zwanzig Jahre alt. Die älteste von ihnen war ein hübsches Mädchen mit welligem schwarzem Haar, die klaren blauen Augen umrahmt von langen, dunklen Wimpern.
»Du! Wie ist dein Name?«, fragte ich sie.
»Amaleta, Herr«, antwortete sie und errötete, weil sie angesprochen wurde. Sie war nervös, aber ich spürte bei ihr keine Angst – im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihren Schwestern, die nackte Panik abstrahlten wie ein offenes Feuer.
»Dies ist Fliss, Liebling von Syrolee, der Kaiserin der Fünf Reiche. Du kümmerst dich um sie.«
Fliss bückte mich verwirrt an. »Bin ich der Liebling von Syrolee, Onkel Cayal?«
»Heute Nacht bist du es, Fliss.«
Das akzeptierte sie und wandte sich an Amaleta. »Kannst du mir zeigen, wo die Latrinen sind? Ich platze.«
Ich unterdrückte ein Lächeln, als Amaleta sich schüchtern dem kleinen Mädchen näherte und ihr die Hand entgegenstreckte. »Kommt mit mir, Mylady. Es sind keine goldenen, wie Ihr sie gewohnt seid, muss ich Euch sagen, aber ich schätze, sie erfüllen ihren Zweck.«
Das Drängen der Natur überwog alle Bedenken, die das Kind dabei haben mochte, der Fürsorge einer völlig Fremden überstellt zu werden, und Fliss ließ sich willig von Amaleta ins Gasthaus fuhren. Von dieser Verantwortung befreit, wandte ich mich
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