Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Warlock durch die überfüllten Slums führte. Sie hatte ihm eine abgetragene, aber brauchbare Baumwolltunika zum Anziehen besorgt, sodass er unter den übrigen Slumbewohnern nicht auffiel, und führte ihn über einen Umweg zu Shalimars Wohnung. Er war sicher, dass sie das extra tat, um ihn zu verwirren und dafür zu sorgen, dass er jede Orientierung verlor, ehe sie endlich die Dachkammer erreichten, die über einer Arztpraxis lag. Erstaunlicherweise war es ganz in der Nähe von der Stelle, wo er gestern verhaftet worden war.
»Ich bin keine Gefahr für Euch«, versicherte War lock dem alten Mann mit vollem Mund und kaute auf einem großen Stück Wurst. Es war lange her, dass er so gut gegessen hatte. Ein perfekt zubereiteter Schweinebraten mit einer kräftigen braunen Soße hätte nicht besser schmecken können.
»Du bist erst ein, zwei Tage hier, Bursche, und in dieser kurzen Zeit wurdest du verhaftet, ohne Strafe wieder entlassen, hast den Fürsten von Lebec getroffen und wurdest trotz deiner Verurteilung wegen Mordes an einem Menschen unerklärlicherweise begnadigt. Unterbrich mich, wenn ich zu etwas komme, was nicht verdächtig klingt, ja?«
Warlock sah Hilfe suchend zu Boots, aber sie war zu sehr mit ihrem Frühstück beschäftigt, um sich darum zu kümmern, was Shalimar ihm unterstellte. Die bevorstehende Läufigkeit machte sie zweifellos gefräßig. Vielleicht war das mit ein Grund, warum sie ihn hierhergebracht hatte. Wenn Shalimar den Tisch immer so deckte, wäre wohl jeder Vorwand recht, ihn zu besuchen, statt auf Nahrungssuche Müllhaufen zu plündern.
»Glaubt Ihr, ich bin eine Art Spion?«
»Ich glaube, da draußen gibt es viele menschliche Herren, die sonst was dafür geben würden, ihre entlaufenen Sklaven aufzuspüren.« Dann lächelte er. »Boots scheint allerdings zu glauben, dass du zu arglos bist, um ein Spion zu sein. Anscheinend wissen es selbst die Agenten des Bösen besser, als nur mit einer Gürteltasche und dem Fell, das die Mutter ihnen gab, durch die Slums zu schlendern.«
»Wenn Ihr Euch sorgt, ob ich ein Spion bin, müsst Ihr etwas zu verbergen haben«, folgerte Warlock.
»Vielleicht.«
»Dann gibt es das Verborgene Tal also wirklich?«, fragte er und hoffte, dass er nicht so aufgeregt klang, wie er sich bei der Aussicht fühlte.
»Lass uns erst mal über Cayal reden«, schlug Shalimar vor und zog sich hinter dem voll beladenen Tisch einen Stuhl heran. »Dann sehen wir, ob du über das Verborgene Tal Bescheid wissen solltest.«
Warlock spießte noch eine Wurst auf seine Gabel und zuckte mit den Schultern. »Was gibt es da zu reden? Er war im Kerker von Lebec. Er wurde am selben Tag, als man mich begnadigte, den Männern des Königs zur Befragung überstellt. Viel mehr gibt es nicht zu erzählen.«
»Was machte er für einen Eindruck?«, forschte Shalimar. Er beugte sich vor, und seine hellen Augen fixierten Warlock aufmerksam und hypnotisch. »Vergnügt? Betrübt? Selbstgefällig?«
»Sie sind alle selbstgefällig«, sagte Boots und langte nach einem Apfel.
»Cayal wirkte deprimiert«, sagte Warlock, nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte. »Bis zur Selbstmordabsicht.«
»Das muss ja frustrierend sein«, kicherte Boots. »Ein selbstmörderischer Unsterblicher.«
»Das ist es wohl«, stimmte Warlock zu. »Ich glaube, darum war er auch im Kerker. Die Gezeiten stehen tief, und er hoffte wohl, eine Enthauptung könnte funktionieren, also tötete er sieben Menschen, um sicherzugehen, dass sie ihn köpften, aber sie hängten ihn auf und machten damit seinen ganzen Plan zunichte.«
Shalimar seufzte. »Typisch. Die Gezeitenfürsten denken nur an ihren eigenen Schmerz. Sie verschwenden keinen Gedanken an die Sterblichen, über deren Leichen sie gehen, um zu kriegen, was sie wollen.«
»Jedenfalls hat es nicht hingehauen«, fuhr Warlock fort. »Ich sah ihn das erste Mal am Abend nach dem Erhängen. Er hielt den ganzen Rückfälligentrakt wach, so stöhnte und ächzte er vor Schmerzen. Aber am nächsten Morgen war er so gut wie neu und nannte mich einen lausigen Gemang. Wenig später kam der Erste Spion des Königs und anschließend die Fürstin von Lebec, um ihn zu verhören.«
»Was hat er ihnen erzählt?«
»Die Wahrheit«, antwortete Warlock, »obwohl ihm niemand glaubte. Den Ersten Spion sah ich nur einmal, aber Lady Desean besuchte uns jeden Tag, und jeden Tag erzählte Cayal ihr mehr von sich, und jeden Tag kam er ihr noch verdächtiger vor.« Den Teil, dass er an
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