Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Mitglied des Fünferrates noch in der Bruderschaft, also kann sie nicht versehentlich etwas preisgeben. Abgesehen davon hat Cayal eine Schwäche für hübsche Frauen. Es bestand allemal die Chance, dass sie etwas aus ihm herausbekommt, das du oder ich oder sogar Tilly nie zutage fördern würden.«
Shalimar war nicht überzeugt. »Tilly wäre die bessere Wahl gewesen. Sie ist die Bewahrerin der heiligen Überlieferung. Sie kennt das Tarot – und das ganze wertvolle Wissen, das dazu gehört – auswendig. Sie hätte es schaffen können, etwas Brauchbares aus dem unsterblichen Prinzen herauszuholen, nicht diese wilden Abenteuergeschichten, die er Arkady erzählt.«
»Und wie hätte ich es rechtfertigen sollen, dass ich eine exzentrische rothaarige Witwe in den Kerker von Lebec schicke, um einen Mörder zu verhören?«
Sein Großvater zuckte die Achseln. »Wieso fragst du mich? Du bist doch der Berufslügner in dieser Familie.«
Declan grinste seinen Großvater an, er wusste, dass die Bemerkung als Kompliment gemeint war. Seine Lügen schützten mehr als nur die Souveränität von Glaeba, die Täuschungen, in die er verwickelt war, hatten mehr mit dem Überleben der Menschheit zu tun als mit dem Weiterbestehen einer Nation.
»Interessant, in welch edlem Licht sich Cayal selbst darstellt, findest du nicht?«, sagte er und nahm sich das letzte Stück Brot. »Wenn es nach dem unsterblichen Prinzen geht, ist alles bloß ein großer Irrtum. Das Schicksal hat es nicht gut mit ihm gemeint, und er war einfach nur der arme, irregeführte Gimpel, den die Flut der Ereignisse ins Verhängnis gerissen hat.«
Shalimar runzelte die Stirn. »Allerdings erzählt das wahre Tarot, das man nicht auf Abendgesellschaften auspackt, eine ganz andere Geschichte. Du hättest Arkady vor der Gefahr warnen müssen.«
Declan schüttelte den Kopf. »Da hätte ich ja eingestehen müssen, dass Kyle Lakesh nach meinem Kenntnisstand wahrscheinlich der Unsterbliche ist, der er zu sein behauptet. Dafür ist Arkady noch nicht bereit.«
»Nur sehr wenige Leute sind das.«
Declan wusste, dass das die bittere Wahrheit war; eine Wahrheit, die er auf den Knien seines Großvaters gelernt hatte. Das Vermächtnis des Tarots und der Schutz der heiligen Überlieferung lagen seit dem letzten verheerenden Weltenende in den Händen von ganz wenigen. Das lag hauptsächlich daran, dass es nur noch wenige gab, die daran glaubten. Im Gegensatz zu den Crasii, die ihren Instinkten viel mehr vertrauten, neigten Menschen eher dazu, die Mythen der Vergangenheit zu belächeln, als sie zu ergründen. Darum war ihre Aufgabe so wichtig. Früher oder später würden die Gezeitenfürsten wieder an die Macht kommen, und es blieb der geheimen Bruderschaft des Tarot und dem Fünferrat der Weisen – zu dem Shalimar, Lord Karyl Deryon und Lady Ponting gehörten – überlassen, der Gefahr entgegenzutreten.
»Glaubst du, er benutzt den Namen Lakesh, um uns zu reizen?«
»Ich vermute eher, es ist ihm gleichgültig«, überlegte Shalimar. »Er denkt vermutlich, die geheime Bruderschaft des Tarot wurde beim letzten Weltenende ausgelöscht.«
»Hoffentlich denkt der Rest der Unsterblichen das auch.« Declan erhob sich. »Ich sollte jetzt besser gehen, bevor jemand merkt, dass ich hier bin. Brauchst du irgendetwas?«
Sein Großvater betrachtete die Überreste des imposanten Mahls auf seinem Tisch. »Ich komme schon irgendwie durch.«
»Das sehe ich.« Er umarmte den alten Mann. »Und sei wie immer vorsichtig. Ich bin nicht sicher, wann ich wieder nach Lebec komme, es kann also eine Weile dauern, bevor wir uns das nächste Mal sehen.«
»Ich sende Tilly Nachricht, wenn ich etwas brauche.«
Declan warf noch einen Blick auf den Tisch und fragte seinen Großvater: »Kommt es deinen Crasii-Freunden nie verdächtig vor, dass du so gut lebst?«
»Die meisten der armen Teufel hier sind zu hungrig, um ihr Glück zu hinterfragen.«
»Nun, du musst auf der Hut sein«, warnte er ihn. »Wir wollen ja nicht, dass irgendein Schwachkopf auf die Idee kommt, dass du ein Vermögen hortest, und hier alles auf den Kopf stellt.«
»Ich kann schon auf mich aufpassen, Declan.«
»Ich weiß, dass du das kannst, Großvater«, versicherte er dem alten Mann. »Aber ich mache mir Sorgen um dich, wie immer.«
Der alte Mann klopfte Declan auf die Schulter und schüttelte den Kopf. »Du solltest dir über andere Dinge Sorgen machen, mein Junge. Ein Gezeitenwechsel steht bevor, und der unsterbliche Prinz
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