Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
ist wieder aufgetaucht. Mein Schicksal ist demgegenüber zweitrangig.«
»Der König hat mir befohlen, unter Folter ein Geständnis von ihm zu erzwingen.«
Shalimars Miene verdüsterte sich. »Dann sei sehr, sehr vorsichtig, mein Junge. Cayals Macht kann jetzt jeden Tag zurückkehren. Wir wollen nicht, dass das passiert, während du ihm ein heißes Brandeisen unter die Nase hältst.«
»Vielleicht kriege ich eine gute Geschichte aus ihm raus«, sagte Declan. »Wie die, die er Arkady erzählt. Wie man mir sagte, hat sie sich gestern zum Kerker aufgemacht, um den Rest seiner Erzählung zu hören, bevor er an mich übergeben wird. Tatsächlich ist sie heute Morgen noch einmal hingefahren, noch bevor ich aufbrach.«
Shalimar schien nicht überrascht. »Cayal hätte sich als Barde ausgeben sollen, nicht als Wagenschmied. Selbst die Überlieferung sagt, dass er ein gutes Garn spinnt.«
»Ich wüsste ja zu gern«, sinnierte Declan, »was er ihr jetzt gerade erzählt …«
53
Die Nacht, die wir in Marivale verbrachten, stellte sich als ziemlich bedeutsam heraus, allerdings erst im Nachhinein. Ich wusste zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht – das weiß man nie –, dass ich Zeuge der Vorbereitungen zu einem sinnlosen Tod wurde, für den ich mich zumindest eine Zeit lang ziemlich schuldig fühlte.
Ansonsten ereignete sich der einzige erwähnenswerte Zwischenfall in dieser Nacht, als ich zu den Stallungen ging, um nach meinem Pferd zu sehen.
Ich näherte mich dem Torbogen des Stalleingangs, und mein Atem gefror in der eiskalten Luft, da hörte ich Stimmen. Ich blieb im Schutz der Dunkelheit neben dem Eingang stehen. Von da, wo ich stand, sah ich nur eine männliche Person – vermutlich der Stallbursche, denn er war gerade dabei, den kastanienbraunen Wallach von Jaxyn zu striegeln.
»… kannst doch nicht abstreiten, dass du nach einem Vorwand suchst, Marivale den Rücken zu kehren, seit du … na … fünf Jahre alt bist …« ‚beklagte sich der Bursche.
Im nächsten Augenblick trat Amaleta in mein Sichtfeld, lehnte sich an das Gatter und sah dem jungen Mann bei der Arbeit zu. Ich glaube, sie waren im selben Alter und angesichts der späten Stunde mehr als nur Freunde. Der Bursche schien sauer. Das bekam ich sogar von dort, wo ich stand, mit.
»Sei mir nicht böse, Ven.«
Der junge Mann striegelte das Pferd mit kräftigen, gleichmäßigen Strichen und reagierte sich an der prosaischen Tätigkeit ab. »Wer sagt, dass ich dir böse bin?«
»Du hast keinen Grund, dir Sorgen zu machen …«
»Ich verstehe. Du willst mit ihnen reiten. Darum geht es doch, oder? Du willst dich lieber von den Gezeitenfürsten versklaven lassen als hierbleiben und mich heiraten.«
»Das ist nicht wahr!«
»Du glaubst, als Hure eines Gezeitenfürsten hast du es besser, als wenn du meine Frau wirst? Ist es das?«
»Nein!«
»Weißt du nicht, was mit dir passieren wird, Amaleta?«, warnte Ven. »Sie benutzen dich als Spielzeug, und eines Tages, wenn du ihnen kein Vergnügen mehr machst, lassen sie dich einfach fallen, und du endest als bemitleidenswerte Zuchtstute auf einer Crasii-Zuchtfarm und trägst scheußliche Viecher in deinem Leib. Du wirst wieder und wieder vergewaltigt und geschwängert, nur damit die Gezeitenfürsten Tiere haben können, die mit ihnen sprechen.«
»Sie haben mir eine Stellung angeboten«, erwiderte Amaleta scharf, sichtlich verärgert über seinen Mangel an Verständnis. »Sie wollen, dass ich auf das kleine Mädchen aufpasse. Ich bin niemandes Hure, Ven Seyther. Abgesehen davon«, rügte sie hinzu und verschränkte trotzig ihre Arme, »wenn ich … auf bestimmten Bedingungen bestehen würde …«
»Bedingungen*.«, schnaubte Ven. »Man stellt einem Gezeitenfürsten keine Bedingungen, Amaleta! Ob Sklave oder frei geboren, wir gehören ihnen mit Haut und Haar. Die einzige Hoffnung, die dir auf der Welt bleibt, ist, zu vermeiden, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Was hätte ich denn tun sollen, Ven? Ablehnen?«
»Wenn du so sehr davon überzeugt bist, dass sie dich wirklich einstellen und nicht versklaven wollen, dann ja. Das ist genau das, was du hättest tun sollen.«
»Bei dir klingt das so leicht.«
»Es ist leicht. Und du hast deine Wahl getroffen. Sie oder ich. Du hast sie gewählt.«
»Ich liebe dich, Ven.«
Er hörte mit dem Striegeln auf und sah sie an. »Lass mich ruhig sitzen, wenn du musst, Amaleta, aber mach die Kränkung nicht noch schlimmer, indem du mich
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