Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
anlügst.«
»Ich lüge dich nicht an, Ven. Ich will nicht weg. Ich will hierbleiben und dich heiraten und hier in Marivale alt werden und sterben.«
»Dann geh hinein und sag ihnen, dass du deine Meinung geändert hast.«
»Ich kann nicht. Nicht jetzt. Wir wissen nicht, wie sie reagieren, wenn ich ablehne.« Sie lächelte versuchsweise. »Ich werde sowieso nicht allzu lange fort sein. Sie brauchen bloß jemanden, der sich um das kleine Mädchen kümmert. Wenn sie erst angekommen sind, wo auch immer sie hinwollen, komme ich zurück nach Hause, und alles wird sein wie vorher. Wir können immer noch heiraten. Ich bin bestimmt nur ein paar Tage weg, höchstens ein paar Wochen …«
»Und wenn einer von ihnen mehr will als nur die Dienste eines Kindermädchens?«
»Dann schließe ich die Augen und stelle mir vor, dass du es bist«, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln. Ich musste mich beherrschen, um nicht laut loszulachen. Was immer dieses Mädchen sonst noch war, sie hatte eindeutig Sinn für Humor, auch wenn ihr Freund keinen besaß. Vielleicht hatte Jaxyn ihr sogar einen Gefallen damit getan, ihr eine Stellung anzubieten. Ich begriff, dass sie die Gelegenheit nicht aus Furcht genutzt hatte. Sie war gespannt auf das Abenteuer.
Als hätte seine Wut ihn erschöpft, legte Ven die Bürste beiseite und ging zum Gatter. Er lehnte sich mit einem Seufzen dagegen und legte seinen Kopf an ihren. »Ich kann den Gedanken, dich zu verlieren, nicht ertragen.«
»Und ich kann den Gedanken, dich zu verlassen, nicht ertragen, aber es ist nicht für lange …«
Er unterbrach ihre Beteuerungen mit einem Kuss. Amaleta legte ihre Arme um ihn und zog ihn an sich. Als sie endlich innehielten, um Luft zu holen, vergrub Ven sein Gesicht in ihrem dichten, dunklen Haar. »Solltest du mich jemals brauchen, komme ich zu dir«, murmelte er so leise, dass ich ihn kaum verstand. »Selbst wenn das bedeutet, einen Unsterblichen zu töten. Ich würde nie zulassen, dass sie dir etwas tun.«
»Sag so etwas nicht, Ven. Du kannst sie nicht töten, und ich kann mich nicht gegen sie wehren. Wir müssen einfach das Beste daraus machen.«
»Aber du musst dich wehren!«, sagte er beharrlich. Er nahm sie bei den Schultern und sein Blick bohrte sich in ihre Augen. Er forderte von ihr ein Versprechen, das sie nicht zu geben bereit war. »Es geht darum, was sie wirklich von dir wollen, Amaleta. Das sind Raubtiere. Du musst dich bis zum letzten Atemzug wehren!«
Amaleta machte sich von ihm los und hob befremdet die Augenbrauen. »Es wäre dir lieber, wenn ich vergewaltigt würde?«
»So habe ich das nicht gemeint …«
»Nicht? Angenommen, einer der Gezeitenfürsten beschließt, dass er mich will, und ich versuche ihn abzuwehren. Was glaubst du wohl, was würde als Nächstes mit mir geschehen, Ven? Ist es das, was du willst? Mich gebrochen sehen, oder sogar tot, nur damit du dir deinen männlichen Stolz bewahren kannst?«
Er reagierte sauer auf ihren Ton. Was für ein arroganter junger Narr, dachte ich.
Aber es schien, als käme Ven gerade erst so richtig in Schwung. »Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du es nicht in Betracht ziehen, dich von einem anderen auch nur berühren zu lassen! Egal ob Sterblicher oder Gott! Du würdest lieber sterben.«
»Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du mich bitten, alles zu tun, was nötig ist, um zu überleben!«, erwiderte sie scharf. »Und dann würdest du mir versprechen, dass du mich weiterhin liebst, ganz gleich was ich tun muss, um unversehrt und in einem Stück zu dir zurückzukehren.«
»Sie hat schon recht, weißt du.«
Amaleta machte einen erschrockenen Satz, als ich aus dem Schatten trat. Das arme Mädchen sah bestürzt drein, aber der Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen war unbezahlbar. Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, mich einzumischen, aber es ging mir mächtig gegen den Strich, wie Ven darauf beharrte, dass ich ein teuflischer Vergewaltiger war, der durchs Land zog, um junge Mädchen zu verderben, zumal in Wahrheit nichts davon zutraf.
Dass ich eigentlich durchs Land zog, weil ich nach einem ruhigen Plätzchen suchte, um eine Sechsjährige zu ermorden, ließ Vens Unterstellungen geradezu lachhaft erscheinen, aber mir war nicht danach, die bittere Ironie zu würdigen.
»Euer … Euer Gnaden! Wir haben Euch gar nicht bemerkt!«
»So viel ist sicher.«
»Dies ist mein Verlobter Ven«, sagte sie und warf ihrem Geliebten einen Blick zu, der ihn anflehte, jetzt den Mund zu
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