Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
unangenehmer Fragen zu beantworten.
»Kylia, Ihr werdet einfach jeden Tag hübscher, den Ihr in Lebec verbringt«, erklärte er, als er den Tisch erreichte. Er ergriff ihre Hand und küsste sie galant. »Ich schwöre, wenn Ihr so weitermacht, werde ich Stellan bitten, nachts vor Eurem Zimmer einen Wachposten aufzustellen, um Euch vor meiner zügellosen Leidenschaft zu bewahren.«
Kylia entriss ihm ihre Hand und sah angemessen entsetzt drein, aber auch unterschwellig entzückt. Jaxyn lächelte. Verdammt, sie ist wirklich überzeugend. Dann wandte er sich Tilly zu und küsste die alte Dame auf die Wange. »Natürlich ist das Einzige, was mich dabei im Zaum hält, meine hoffnungslos unerwiderte Liebe zu Euch, teure Lady Ponting.«
Tilly schob ihn von sich. »Jaxyn Aranville, Ihr seid ein ganz Schlimmer. Hört bloß nicht auf ihn, Kylia. Dieser Bursche hinterlässt auf Schritt und Tritt gebrochene Herzen.«
Kylia sah zu ihm auf, schwieg aber weiterhin. Anscheinend verschlug ihr seine Anwesenheit die Sprache – zumindest solange sie nicht ein paar Gläser Wein intus hatte.
»Was tun die Damen denn Schönes?«, fragte er und setzte sich. Der runde Tisch im Morgensalon war gewöhnlich für ein Frühstück im kleinen Kreis oder zwanglose Kartenspiele gedacht. Als er sich Kylia gegenüber niederließ, berührte sein Bein unter dem Tisch das ihre. Sie gab sich zu schüchtern, um auch nur einen Pieps zu sagen, aber ihr Bein nahm sie nicht weg.
»Wir sehen uns gerade Kylias Zukunft noch einmal genauer an«, erklärte Tilly. »Ohne Publikum lässt sich das Tarot wesentlich genauer deuten.«
»Dann störe ich Euch doch«, schlussfolgerte er und machte Anstalten aufzustehen. »Verzeiht mir, ich werde lieber gehen und die Damen in Frieden lassen.«
»Ihr könnt bleiben, Lord Aranville«, sagte Kylia. »Tilly meinte doch ein großes Publikum, so wie gestern Abend.«
Jaxyn setzte sich wieder. »Es ehrt mich, in die Geheimnisse Eurer Zukunft eingeweiht zu werden, Lady Kylia.«
Kylia lächelte ihn an, antwortete aber nicht. Tilly hingegen verdrehte bei seinen Worten kurz die Augen. Durchschaute sie den Hintersinn? Jaxyn machte sich in Gedanken eine Notiz, vor ihr auf der Hut zu sein. Offenbar war Tilly Ponting nicht so dumm, wie sie sich gab.
»Zieht noch eine Karte, Liebes«, wies sie das Mädchen an.
Kylia tat wie geheißen und deckte eine Karte auf, die dem Buben eines traditionellen Kartenspiels ähnelte.
»Der Knappe der Gezeiten«, verkündete Tilly und spitzte nachdenklich die Lippen.
»Ist das schlimm?«, fragte Kylia leicht besorgt.
»Diese Karte bringt Euch Kunde von einer Liebe, oder vielleicht auch einer Romanze.«
»Na, bestens«, meinte Jaxyn. »Kein Grund zur Besorgnis.«
»Aber sie enthält auch eine Warnung«, fügte Tilly ominös hinzu. »Die Liebe, die Ihr sucht«, sagte die alte Frau und zeigte auf eine andere Karte, die aufgedeckt auf dem Tisch lag, »könnte mit einem gebrochenen Herzen enden.«
Jaxyn neigte den Kopf, um die andere Karte zu betrachten. Wieder einmal die Liebenden, Cayal und Amaleta. In einem goldenen Rahmen zeigte die Karte einen Mann – ohne Zweifel der unsterbliche Prinz – und eine Frau, vermutlich Amaleta, der Legende nach seine ganz große Liebe. Die beiden verharrten in einer äußerst leidenschaftlichen Umarmung an einem Kreuzweg.
»Aber Ihr sagtet doch, die Karte der Liebenden bedeutet, dass ich meinem Gefühl trauen sollte.« Kylia schaute die Wahrsagerin verwirrt und fragend an.
Jaxyn lächelte, er wusste nur zu gut – wie Kylia zweifellos auch –, dass das ganze leidige Tarot nichts als blanker Unsinn war. Aber wenn man sie so ansieht, dachte er, könnte man schwören, dass sie mit Leib und Seele dabei ist.
»Ich denke, Ihr solltet ruhig Eurem Gefühl folgen, Lady Kylia«, stimmte Jaxyn ihr zu. »Der Knappe der Gezeiten betrifft ja vielleicht gar nicht Euch. Er könnte doch genauso gut bedeuten, dass die Ehe Eures Onkels mit Arkady mit einem gebrochenen Herzen endet.«
Ernst dachte Kylia darüber nach. Tilly Ponting dagegen war von seiner Interpretation nicht im Mindesten angetan. »Ihr hättet dabei wohl nicht zufällig Eure Hand im Spiel, mein Lieber?«, fragte sie mit einer angehobenen Augenbraue.
Jaxyn lächelte sie an. »Aber liebste Lady Ponting. Ihr kennt mich doch.«
»Genau darum frage ich ja«, erwiderte sie gelassen.
Die alte Schachtel war eindeutig viel gewitzter, als sie aussah, befand Jaxyn. Wenn Tilly eine Abneigung gegen ihn entwickelte,
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