Falsch
informiert«, musste Finch zugeben. »Es ist lange her, dass ich meine letzte Flasche getrunken habe.«
»Dann sei es so«, nickte der Greis, und wie auf ein unsichtbares Zeichen hin öffnete sich die Tür, und das Dienstmädchen trat ein, ein Tablett mit Flaschen und Gläsern balancierend. »Wissen Sie, ich schätze Kultur in kleinen und in großen Dingen. Sie macht unser Leben erst lebenswert. Man hat mir auch gesagt, dass Sie ein Faible für Islay Single Malt Whisky hätten. Ich habe mir erlaubt, eine Auswahl zusammenzustellen, die hoffentlich Ihren Erwartungen entspricht.«
Finch war mit einem Mal auf der Hut. »Viel Aufwand für einen alten Buschpiloten wie mich«, gab er zu bedenken. »Betrunken werde ich Ihnen nicht viel nützen.«
»Wenn meine Quellen recht haben, dann sollte es sehr schwierig sein, Sie unter den Tisch zu trinken, und ich werde es ganz sicher nicht versuchen, Senhor Finch«, winkte sein Gegenüber ab und griff zu einem Glas Wasser. »Man erzählt sich noch heute einige legendäre Geschichten über Sie und Ihr Stehvermögen in der Bar des Hotels Continental Savoy in Kairo.«
»Das Continental, ja …« Finch lächelte versonnen. »Das ist lange her. Damals trafen sich alle im Continental. Die Reichen und die Schönen von Kairo, Engländer mit viel Geld und Deutsche mit noch mehr Vergangenheit. Man machte dubiose Geschäfte und lebte auf großem Fuß, auch wenn manchmal der Schuh drückte.«
»Sie hatten damals die Suite 101 gebucht, meist für einen ganzen Monat, 1962 sogar für ein ganzes Jahr. Und Sie waren ganze einundzwanzig Jahre alt.« In seiner Stimme schwang so etwas wie Hochachtung mit.
Finch kniff die Augen zusammen. »Arbeiten Sie an meiner Biographie?«, fragte er und versuchte erst gar nicht, seinen Ärger zu verbergen. »Ich sehe nicht ganz …«
Der alte Mann hob einfach seine Hand und unterbrach ihn. »Wenn es eines gibt, das ich in meinem Leben gelernt habe, Senhor Finch, dann ist es, umfassend informiert zu sein, bevor ich weitreichende Entschlüsse treffe. Ich wollte nicht anmaßend erscheinen. Ich weiß jetzt, dass ich die richtige Entscheidung gefällt habe.«
»Das ist schön für Sie. Aber ich verstehe nicht ganz, was ich damit zu tun habe …« Ein seltsames Geräusch ließ ihn verstummen. Eine braunweiße Taube flatterte um einen bis zum Glasdach reichenden Baum herum, segelte zur Sitzgruppe und landete ohne Scheu auf dem niedrigen Tisch mit der fleckenlosen Glasplatte. Dann trippelte sie zwischen den Gläsern herum, sah Finch aufmerksam an.
Der alte Mann griff in die Tasche, zog einige Körner heraus und warf sie dem Vogel hin. »Diese Taube ist der Grund, warum ich Sie gebeten habe, mich zu besuchen«, murmelte er, und Finch musste sich anstrengen, um ihn zu verstehen. »Sie kam spät in der Nacht zu mir, landete direkt in meinem Zimmer. Sie müssen wissen, Tauben fliegen schnell, bis zu einhundertsechzig Kilometer in der Stunde. Diese ist ein besonders gut gezüchtetes Exemplar.«
Finch schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, ich habe den Faden verloren. Verstehe ich recht, dass Sie mich wegen einer Taube haben rufen lassen?«
Der alte Mann im Rollstuhl sah ihn durchdringend an. »Ja, ganz genau deswegen sind Sie hier. Ich habe bereits vor zwei Jahren, als Sie am Flughafen von São Gabriel ein Büro gemietet hatten, Erkundigungen über Sie eingezogen. Wenn sich Europäer hier niederlassen, weiß ich gern, um wen es sich handelt. Aber dann kam diese Taube …« Er ließ den Satz in der Luft hängen, aber Finch tat ihm nicht den Gefallen, etwas einzuwerfen. »Es hat mich sechs Stunden und eine sechsstellige Summe gekostet, um heute Genaueres über Sie zu erfahren. Dann habe ich Fiona losgeschickt.«
»Eine sechsstellige Summe? Ich hoffe, ägyptische Pfund.«
»Dollar, Senhor Finch, amerikanische Dollar. Aber das war es mir wert.«
Der Greis schwieg, und Finch wollte sagen: »Warum haben Sie nicht mich gefragt, ich hätte Ihnen für die Hälfte mein ganzes Leben erzählt«, aber er verkniff es sich. Stattdessen schüttelte er nur den Kopf. Das hier war alles zu bizarr für seinen Geschmack. »Ich glaube, mich motiviert eine Taube nicht dazu, diesen Besuch über Gebühr auszudehnen. Ich habe ein Alter erreicht, in dem man beginnt, seine Zeit einzuteilen. Danke für das Bier, Senhor …?«
Ein Ruck ging durch den alten Mann, und die blauen Augen fixierten Finch entschuldigend. »Oh … Es tut mir leid, ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Bitte
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