Falsch
Schlaf«, erwiderte Finch trocken.
Aus der unbefestigten Piste war in der Zwischenzeit eine asphaltierte Straße geworden, die sich neben einem kleinen Wasserlauf durch den Busch wand. Plötzlich öffnete sich der Wald, und drei konzentrische Lichtungen taten sich vor ihnen auf, wie ineinander verschränkte Kreise. Die Straße führte geradewegs auf die mittlere zu, auf der ein weitläufiges weißes Haus im Kolonialstil stand, das direkt aus den Kulissen von Vom Winde verweht zu stammen schien.
»War Rhett Butler im Preis inbegriffen?«, fragte Finch, während sie durch einen gepflegten Park mit Teichen rollten, den Pfauen und Schwäne bevölkerten.
»Eher Scarlett«, gab seine Begleiterin unbewegt zurück und hielt sanft vor dem Portal an, das von einem Vordach auf weißen Säulen stilecht beschützt wurde. »Endstation, Senhor Finch. Mein Auftrag ist hiermit erledigt. Wir sehen uns vielleicht auf der Rückfahrt.«
»Nur vielleicht?«, erkundigte er sich und öffnete die Tür. »Ich dachte, Sie machen die Chauffeurdienste in diesem Film.«
Sie schob die Sonnenbrille auf ihre Nasenspitze und sah Finch über die Gläser hinweg ausdruckslos an. »Ich bin die Tochter des Hauses, Senhor Finch. Oder besser gesagt, die Enkelin von Scarlett. Guten Tag. Man wird sich um Sie kümmern.«
Die beiden Männer, die plötzlich hinter ihm standen und sich tatsächlich um ihn kümmerten, hatten beide nichts von einem livrierten Butler an sich. Finch erkannte Profis, sowie er sie sah. Die Anzugträger mit dem Knopf im Ohr tasteten ihn schnell und gründlich ab, nickten dann stumm und baten ihn mit einer Handbewegung in Richtung Eingangstür. Wenn sein fleckiges Hemd, die öligen Hände oder die schwarzen Fingerspuren auf seiner Stirn sie erstaunt hatten, so zeigten sie es nicht.
Ein Dienstmädchen in schwarzem Kleid und makellos gestärktem weißen Schürzchen wartete bereits auf der obersten Stufe, begrüßte ihn mit einer artigen Verbeugung und ging dann wortlos voraus. Sie durchquerten eine beeindruckende Eingangshalle mit geschwungener Freitreppe, den ungemütlich eingerichteten Salon und eine Bibliothek, die jeder Kleinstadt zur Ehre gereicht hätte. Dann klopfte das Mädchen an eine Tür und öffnete sie, ohne die Antwort abzuwarten. Sie nickte dem Gast zu, und Finch trat in einen riesigen Wintergarten, dessen Boden mit grünweißen Fliesen im Schachbrettmuster ausgelegt war. Das Licht fiel durch ein Glasdach, das von schlanken, weiß gestrichenen Gusssäulen mit Jugendstilmotiven getragen wurde. Blumen, Büsche, kleine Bäumchen und Kakteen waren sorgfältig in Gruppen arrangiert worden. Französische Fenster, die bis zum Boden reichten und offen standen, ließen den Wind herein. Ein Dutzend große Ventilatoren drehten sich träge unter dem Dach.
Kein Mensch war zu sehen, kein Laut zu hören.
Finch schaute sich um und ging dann zu einer majestätischen Rattan-Sitzgarnitur, die ebenfalls weiß gestrichen war und deren bunte Polster ihn an die Berber-Kissen in den Zelten der Nomaden erinnerte. Er strich mit den Fingern über den rauen Stoff. Als er wieder aufblickte, sah er in die beunruhigend blauen Augen eines alten Mannes im Rollstuhl, die ihn durchdringend musterten.
»Willkommen, Senhor Finch. Es ist schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Manchmal hat Fiona zum Glück eine sehr überzeugende Art.« Seine Stimme war brüchig und leise und passte zu seinem schmächtigen, gebrechlichen Äußeren. Er schien in dem Rollstuhl zu verschwinden. Seine Augen jedoch waren klar und verrieten die Energie und Zähigkeit, die in dem schmalen Körper noch steckten.
»Wenn es sich bei Fiona um Ihre Enkelin handelt, dann haben Sie recht. Sie hat ihre Karten gut gespielt.« Finch deutete auf sein Hemd. »Ich hatte nicht einmal Zeit, mich umzuziehen.«
Der alte Mann winkte mit einer müden Geste ab. »Äußerlichkeiten. In meinem Alter beginnt man sich auf das Wesentliche zu besinnen.« Die blauen Augen ließen ihn nicht eine Sekunde los. »Irgendwann stellt man fest, dass man im Lauf der Jahrzehnte mehr Fragen als Antworten gesammelt hat. Das ängstigt mich zuweilen, weil mir nicht mehr viel Zeit für die Antworten bleibt.«
Er verstummte, als hätte ihn das Gespräch bereits über Gebühr angestrengt. Dann fuhr er fort, und seine Stimme klang voller. »Aber setzen Sie sich doch bitte. Was kann ich Ihnen zu trinken anbieten? Ich habe eigens für Sie Sakkara-Bier aus Kairo einfliegen lassen.«
»Sie sind überraschend gut
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