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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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murmelte er, »selbst nachdem ich den Brief von Vater gelesen habe.« Er zog das zusammengefaltete Blatt aus der Tasche und hielt es seiner Frau hin.
    Doch sie machte keine Anstalten, auch nur einen Blick darauf zu werfen. Stattdessen ging sie mit langsamen Schritten zum Tisch und ließ dabei den Ring keinen Moment aus den Augen. Dann bekreuzigte sie sich stumm. »Es ist ein böses Zeichen«, flüsterte sie. »Die Piraten sind unter der schwarzen Flagge mit dem Totenkopf gesegelt und haben jahrhundertelang Angst und Schrecken auf den Meeren verbreitet. Hitlers SS hat es zu ihrem Symbol gewählt und ganz Europa mit blutigem Terror überzogen. Bis heute bedeutet dieser Totenkopf höchste Gefahr für Leib und Leben. Was bedeutet er für uns?«
    Georg zuckte mit den Schultern. »Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen«, gab er zurück. »Bis jetzt ist es nur ein Ring, der auf etwas seltsame Weise bei uns abgeliefert wurde.«
    Nachdenklich nahm er den silbernen Ring von der Tischplatte und drehte ihn zwischen den Fingern. Innen fielen ihm Schriftzeichen auf, aber die wollte er jetzt nicht entziffern, nicht vor seiner Frau. »Vater meint, es sei eine Art Signal, das ihm gegolten habe. Irgendjemand werde uns kontaktieren.« Wohlweislich verschwieg er jene Passagen des Briefes, die ihn keineswegs so zuversichtlich stimmten. »Wie auch immer, lass das Fenster offen. Wir werden ja sehen, was die Taube macht. Ihre Aufgabe hat sie erfüllt, vielleicht fliegt sie wieder dorthin zurück, woher sie gekommen ist.«
    Er steckte den Ring ein und küsste seine Frau auf die Wange. »Ich muss wieder in die Agentur.«
    Als er die Treppen hinunter auf die Straße lief, klingelte sein Mobiltelefon, und Georg zögerte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Angst, ein Gespräch anzunehmen. Doch dann griff er in die Tasche und zog das Handy heraus.
    »Kommen Sie heute noch einmal ins Büro, oder sollen wir die restlichen Angebote selbst schreiben?«, erkundigte sich seine Sekretärin mit strenger Stimme.
    »Bin schon auf dem Weg«, gab Georg zurück und schloss den Pick-up auf. Der Alltag hatte ihn wieder. Von wegen, nichts wird mehr sein, wie es war, dachte er. Vielleicht hatte sein Vater ja doch nicht recht gehabt, und der Ring veränderte gar nichts.

Irgendwo im Dschungel
Nördlich von São Gabriel/Brasilien
    Die Straße durch den dichten Regenwald war besser, als John Finch angenommen hatte. Der Hummer schien die Unebenheiten geradezu glattzubügeln und durch einen Tunnel aus unzähligen verschiedenen Schattierungen von Grün zu fliegen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er seine Begleiterin, die entspannt und mit sparsamen Bewegungen den schweren Wagen auf Kurs hielt. Sie hatte ihre Sonnenbrille wieder aufgesetzt, und ein kleines Lächeln schien sich in ihren Mundwinkeln eingenistet zu haben.
    Aber vielleicht täuschte er sich auch.
    Am Ende einer langgestreckten Kurve versperrte ein massives, zweiflügeliges Gittertor die nun ungeteerte Straße. Wie aus den Nichts erschienen plötzlich zwei Männer in Kampfanzügen, bewaffnet mit Heckler-&-Koch-Sturmgewehren, neben der Fahrbahn, erkannten den Hummer und öffneten rasch das Tor. Dann traten sie zurück, und Finch hatte das Gefühl, dass ihn ihre Augen hinter den verspiegelten Sonnenbrillen beim Vorbeifahren röntgenisierten.
    »Diese Brillen scheinen hier echt angesagt zu sein«, lächelte er spöttisch. »Sind die Sicherheitsvorkehrungen Ihres Brötchengebers in allen Bereichen so straff?«
    Diesmal lächelte sie wirklich. »Sie werden es ja erleben, Senhor Finch. Wir befinden uns auf privatem Grund und Boden. Wenn wir immer geradeaus weiterfahren würden, wären wir abends nach wie vor auf seinem Besitz. Das ruft gewisse Neider auf den Plan, selbst im menschenleeren Amazonas-Gebiet.«
    »Neid gehört nicht zu meinen Schwächen«, erwiderte Finch nachdrücklich.
    »Aber vielleicht Geld?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Geld ist der Treibstoff für den Flug zum Horizont. Man verdient es schnell, und man gibt es noch schneller aus. Dazwischen bezahlt man für seine Fehler.«
    Sie schaute noch immer geradeaus auf die Straße, obwohl Finch gewettet hätte, dass sie hier jeden Meter auswendig kannte.
    »Warum haben Sie Afrika verlassen?«, fragte sie unvermittelt, und ihre Stimme bekam einen lauernden Unterton.
    »Warum wollen Sie so vieles wissen?«
    »Ein brasilianisches Sprichwort meint, ein leerer Kopf sei das Büro des Teufels.«
    »Aber er sorgt auch für einen ruhigen

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