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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Zuspruch wäre ihr sicher. Ein Riesenwirbel aber auch. Während sie noch zögert, erscheint Audrey auf der Bildfläche, ein entwaffnendes Grinsen auf den Lippen, einen Becher Milchkaffee in der Hand.
    »Hey. Ich hab Kaffee für dich.«
    Widerstrebend ringt Noa sich ein Dankeschön ab.
    »Du hast dich schon mit Arne bekannt gemacht?«
    »So würde ich es nicht unbedingt nennen«, sagt Noa und nippt am Kaffee. Er ist heiß und köstlich. Audrey hat die Milch sogar aufgeschäumt, wie Noa es am liebsten hat.
    »Sorry, ich wollte dich eigentlich warnen, aber du bist mir zuvorgekommen. Seit wann wirst du wach, bevor dein Wecker klingelt?«
    »Kann passieren.« Noa denkt an Arnes Vorgänger, daran wie schwierig es war, überhaupt einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen. Nächtliche Schatten, die durch die Wohnung huschten und vor Sonnenaufgang verschwunden waren. Der letzte Mann, mit dem sie unter einem Dach gelebt hat, war ihr Großvater. Er hatte die dankenswerte Angewohnheit, die Badezimmertür hinter sich abzuschließen. Wofür sonst gibt es Schlüssel? Eine tolle Erfindung.
    Noa ist frustriert. Sie braucht Audrey keine Vorträge über die Bedeutung von Privatsphäre zu halten, als Person öffentlichen Interesses – wie es so schön heißt, um die Aufdringlichkeit mancher Journalisten zu rechtfertigen – ist sie in dieser Hinsicht sensibel genug. Sie begreift, dass Arne und sie gepatzt haben, und bittet Noa um eine faire Chance für sich und ihn. Doch was heißt schon fair, wenn auf allen Seiten große Gefühle im Spiel sind?
    Zu Noas Erleichterung ist Arne anfangs ein eher seltener Gast. Aber er hinterlässt Spuren. Einen wollweißen Strickpulli zum Beispiel, scheinbar achtlos vergessen auf der Lehne des Fernsehsessels. Einen Knutschfleck an Audreys Hals, was Noa reichlich pubertär findet. Sowie – in der gesamten Wohnung verteilt – feine, rötliche Haare, denn, anders als von fern zu erkennen war, ist die Glatzenbildung auf seinem hellhäutigen Schädel zwar weit fortgeschritten, aber keineswegs vollendet. Um die Ohren herum und am Nacken wächst noch was. Und fällt und fällt. Auf die Couch. Die Armaturen im Bad. Den Küchentresen. Jedes Mal, wenn Noa irgendwo ein rotes Haar entdeckt, fühlt sie sich in ihrer Ablehnung bestätigt. Was die Fairness betrifft: Noa benimmt sich höflich, aber distanziert, entwickelt rasch ein gewisses Talent darin, dem Paar so wenig wie möglich in die Quere zu kommen. Mehr kann sie momentan nicht für Audreys Liebesglück tun.
    Schließlich wird ihr auch noch das verleidet, indem ihre Schwester kurzerhand einen Termin für ein Abendessen zu dritt ansetzt. Und als wäre dies allein zum gegenwärtigen Stand der Dinge nicht schon Zumutung genug, soll auch noch gemeinsam gekocht werden, oder besser: gebacken, nämlich Pizza, ein Gericht, bei dem wenig schiefgehen kann und viel geschnippelt werden muss. Dabei sollen sie und Arne um jeden Preis ins Gespräch kommen, wie Noa vermutet. Ein abgekartetes Spiel.
    »Ich kümmere mich um den Teig, ihr zwei seid für den Belag zuständig, okay?« Audrey bugsiert sie mit sanfter Gewalt zum Tresen, drückt ihr ein Messer in die Hand. »Leg los.«
    »Ja, dann wollen wir mal.« Arne mustert die bereit gelegten Zutaten: Paprika, Tomaten, Zwiebeln, frische Kräuter, dazu Salami, Party-Würstchen, hart gekochte Eier, Mozarella und Fischhappen. »Das kommt bei euch alles zusammen auf eine Pizza?«
    »Du kannst dein Drittel ja anders belegen, wenn es dir nicht passt.«
    »Nein, nein. Kein Thema. Ich probier’s mal.« Er nimmt sich die Tomaten vor, die leichteste Aufgabe von allen. Noa zerteilt eine gelbe Paprika, entfernt den Strunk.
    »Machst du das oft?«
    »Ab und zu.«
    »Also bei meinem Sohn sieht das nicht so geübt aus. Der stellt sich in der Küche an wie der letzte Trottel.«
    Noa lässt das Messer sinken. »Du hast einen Sohn?«
    »Ja, in deinem Alter. Moritz. Hat Audrey dir nicht von ihm erzählt?«
    »Nein, hat sie nicht«, sagt Noa und wirft ihrer Schwester einen bitterbösen Blick zu.
    »Guck nicht so. Wir haben ja kaum mehr als drei Worte gewechselt in letzter Zeit. Und das lag nicht an mir.«
    »Ach kommt, ihr zwei, nicht streiten. Erzähle ich dir eben jetzt von Moritz. Was willst du wissen?«
    Noa überlegt. Vor ihrem geistigen Auge taucht eine jüngere Ausgabe Arnes auf: ein etwas kurz geratener Jugendlicher mit Stirnglatze und Bauchansatz, zu linkisch, eine Paprika in Streifen zu schneiden.
    »Bist du etwa verheiratet?«, fragt

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