Falsche Opfer: Kriminalroman
nicht für einen bestimmten Zweck?«
»Jedenfalls weiß ich nichts davon.«
»Vier: Wer sollte das Geld bekommen?«
»Sie fragen ja nur das gleiche wie die anderen.«
»Wer?«
»Ein schwedischer Polizist. Mehr als das weiß ich nicht. Er hat Nedic erpresst. Zehn Millionen Kronen.«
»Die Summe haben wir bisher nicht gehört. Das ist eine große Summe. Der Polizist hatte also etwas richtig Wertvolles herausgefunden. Etwas, was Nedics ganze Organisation vernichten konnte.«
»Ja«, sagte Petrovic, den Mund voll Spaghetti. »So muss es gewesen sein. Aber ich weiß nicht, was.«
»Damit ist drei bereits abgehakt«, sagte Hjelm. »Zweitens: Rajko Nedics Organisation.«
Petrovic nickte und kaute zu Ende. Als er damit fertig war, beugte er sich unter den Tisch und hob einen Stapel handbeschriebene Blätter auf.
Hjelm nahm sie entgegen und blätterte sie durch. Es sah gediegen aus. Daran hatte er wirklich gearbeitet. Nur daran. Nedic zu vernichten. »Danke«, sagte Hjelm. »Beeindruckend. Jetzt sieht es ja allmählich nach etwas aus.«
»Thank you«, sagte Risto Petrovic und begann wieder, Spaghetti aufzudrehen. Drehung um Drehung um Drehung.
»Dann kommen wir zu erstens: Wie sieht eigentlich die Beziehung zwischen Ihnen und Niklas Lindberg aus?«
»Wir sind uns in der Fremdenlegion begegnet. Keiner von uns passte eigentlich dorthin. Wir wurden Freunde und hielten ein Jahr zusammen durch. Dann sind wir uns im Kumlabunker wiederbegegnet. Ein freudiges Wiedersehen. Ich arbeitete für Nedic und gab Nicke einen Tipp, dass Nedic einem schwedischen Polizisten zehn Millionen Kronen liefern sollte. Später erwähnte Lordan dieses Treffen, das in einem Restaurant Kvarnen stattfinden sollte. Das habe ich Nicke auch erzählt.«
»Und was sprang für Sie dabei heraus?«
»Nichts. Wir sind Freunde. Wenn man das durchgemacht hat, was wir gemeinsam in der Fremdenlegion durchgemacht haben, versteht man das. Sonst versteht man es nicht.«
Hjelm nickte und sah Chavez an. Chavez nickte und sah Hjelm an.
»Gut«, sagte Hjelm. »Dann wissen wir ungefähr, wo wir Sie haben. Sie wollen Nedic um jeden Preis vernichten, und Sie wollen Lindberg um jeden Preis schützen. Sie sind durch eine schwere Situation zusammengeschweißt worden. Sie sind Freunde, fast auf eine arabische Weise. Friends for life. Unzertrennlich.«
So gut, wie sein Englisch es ihm denn erlaubte.
»Kommt dir das bekannt vor?« fragte er Chavez auf englisch.
»Ich habe es vor gar nicht langer Zeit schon einmal gehört«, antwortete Chavez auf englisch. »Wir sind nur eine gewöhnliche Räuberbande. Wir sind nur Freunde. Das gleiche Muster.«
»Allerdings glaube ich nicht, dass wir jetzt anfangen können, von Golfpräsern zu reden.«
»Ich glaube nicht, dass das richtig weh tun würde. Also machen wir dies.«
Und damit zerriss Jorge Chavez Petrovics handbeschriebene Blätter.
Petrovic verschluckte sich. Halbzerkaute Spaghetti flogen durch den Raum und vermischten sich mit den glühenden Tabakbröseln Lars Viksjös, dem der Mund offen stand.
»Sie glauben, dass sie als Kronzeuge gegen Rajko Nedic auftreten können. Aber das ist ein Irrtum. Rajko Nedic interessiert uns einen Dreck. Was uns interessiert, ist das Attentat in Stockholms Stadion in ein paar Tagen. Die World Police and Fire Games. Alles, was Sie wissen. Wenn nicht, schicken wir Sie postwendend zurück nach Kumla zu einem vertraulichen Wiedersehen mit Zoran Koco und Petar Klovic und dem Rest von Nedics Mannschaft.«
Petrovic hörte auf zu husten. Die Spaghetti hingen ihm in Fetzen um den Mund. Es sah aus wie in den Schlussszenen von Der weiße Hai.
Jaws.
»Was steht hier, verdammt?« sagte Ludvig Johnsson. »In Klammern?«
»JC zerreißt Ps N-Mtrl«, las Gunnar Nyberg. »Jorge hat offenbar Petrovics Material über Nedic zerrissen.«
»Und wie kann er das rechtfertigen?«
»Das muss ein Trick sein. Er blufft. Vermutlich haben sie bereits eine Kopie. Aber es ist eine hübsche Wendung. Wird interessant zu sehen, was danach passiert.«
»Sie waren wahrscheinlich schon vor dem Ausbruch des Krieges in Kroatien organisierter Rechtsextremist«, sagte Hjelm. »Die Erben der alten extremnationalistischen Ustascha. Serbenhass. Dann, während des Krieges, kamen Sie als Befehlshaber einer paramilitärischen Truppe wirklich Ihrer Aufgabe nach. Wahrscheinlich erweiterten Sie während dieser Zeit Ihr internationales Kontaktnetz. Bekamen auf diese Art und Weise falsche Papiere und flohen in die Fremdenlegion.
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