Falsche Opfer: Kriminalroman
Anwesenden und ihre Bewegungen lokalisiert haben. Es gibt vier verschiedene Maschinenpistolenpatronen mit vier verschiedenen Schlagbolzenabdrücken. Vier Maschinenpistolenschützen. Plus die zwei, die nicht geschossen haben, deren Maschinenpistolen aber zurückblieben: 2 A, der in den Rücken geschossen wurde, und 2 B, der ins Gesicht geschossen wurde, 2 B war also Sven Joakim Bergwall. 2B stand allein rechts von dem Wagen. 2A griff den Aktenkoffer und stand dann vor dem Wagen, von wo er weglief. Vor dem Wagen standen auch 2D und 2E. Links standen 2C und 2F, von den beiden wurde 2C angeschossen. 2D und 2 F trafen beide 1B und 1 C. Was kann man außerdem noch sagen? Wer von ihnen geht zu einem angeschossenen Mann am Boden und jagt ihm achtzehn Kugeln in den Körper? Der Wahnsinnige der Gruppe, der Führer der Gruppe? Intuitiv würde ich sagen: ja. Der Wahnsinnige und Führer. Ich tippe, dass 2 D der Führer ist. Und von ihm wissen wir nichts.«
»Und die Bombe?« sagte Söderstedt.
»Ja, da haben wir wohl unseren Anknüpfungspunkt, außer Sven Joakim Bergwall. Einige weiße Männer mittleren Alters hatten ja das verdammte Staatliche Kriminaltechnische Laboratorium komplett nach Närke verschleppt. Jeder im Dienst befindliche Kriminaltechniker hat im Kumlabunker Wände abgeschabt.«
»Komm zur Sache«, sagte der weiße Mann mittleren Alters Norlander schroff.
»Es ist der gleiche Sprengstoff und der gleiche Zündmechanismus. Beide unbekannt. Aber gleich. Und es ist klar, dass, wenn wir das, was wir bisher über die Kumla-Explosion wissen, mit dem vergleichen, was wir bisher über die Sicklaschlacht wissen, dass dann etwas nicht besonders Angenehmes zutage tritt.«
Söderstedt und Norlander betrachteten einander eingehend. Muster, dachten sie gleichzeitig.
Wann beginnt sich ein Muster abzuzeichnen?
Arto Söderstedt fühlte plötzlich, dass er lebte. Zum ersten Mal, seit er Norlanders Dienstvolvo nach Kumla gefahren hatte. Der wurde vom Fußvolk zurückgebracht, während sie von Örebro aus geflogen waren, um rechtzeitig um zehn Uhr hier zu sein.
Plötzlich stimmte alles. »Wir sollten einen Gruß ausrichten«, sagte er. »An euch alle, aber besonders an Paul und Jorge. Von einem Zweijährigen mit Namen Paul Jorge Andersson, genannt Jojje.«
Für einen kurzen Augenblick breitete sich in der ›Kampfleitzentrale‹ Verwirrung aus.
Söderstedt lachte sich ins Fäustchen. Er liebte Einleitungen, die Verwirrung stifteten. »Es ist Göran Anderssons Sohn«, fuhr er mit dramaturgischer Präzision fort.
Paul Hjelm und Jorge Chavez tauschten zum ersten Mal seit fast einem Jahr Blicke aus. Klappte das alte Zusammenspiel noch? Sie lasen einander auf jeden Fall wie offene Bücher. Der Serienmörder Göran Andersson hatte seinen Sohn auf die Namen der Polizisten getauft, die ihn festgenommen hatten. Es war ein merkwürdiges Gefühl.
Arto Söderstedt fuhr fort: »Anderssons Trommelfelle sind bei der Kumla-Explosion draufgegangen. Er saß gestern morgen um acht Uhr sechsunddreißig in seiner Zelle unmittelbar neben der von Lordan Vukotic und büffelte Kunstgeschichte. Am Abend zuvor hatte er Vukotic in seine Zelle taumeln sehen, mit – wie das Obduktionspuzzle später ergab – gerissener Milz, gebrochenem Schienbein und ausgekugelten Schultergelenken. Am Morgen darauf wurde er in die Luft gesprengt, und übrig blieb nur eine Masse, die an den Wänden klebte, möglicherweise also von demselben Mann, der rund achtzehn Stunden später den Daimler unten im Gewerbegebiet Sickla sprengte. Was bedeutet, dass wir richtig und trotzdem falsch gedacht haben. Vier Polizisten – zwei vom Reichskrim, einer vom Närkekrim und ein Säpomann - zogen gestern außerordentliche Schlussfolgerungen, verbrachten den gestrigen Abend aber auf völlig falsche Weise. Wir nahmen folgendes an: Vukotic wurde gefoltert und plauderte; deshalb wollte er nicht verraten, dass er gefoltert worden war, am wenigsten den Heiducken da in Kumla. Vielleicht lag er die ganze Nacht in der Zelle und versuchte, sich die Schultern wieder einzurenken. Zu welchem Nutzen, kann man sich fragen, wenn man sowieso am nächsten Tag in die Luft gesprengt wird. Warum wurde er am nächsten Tag in die Luft gesprengt? Das war die nächste Frage. Unsere Schlussfolgerung: Der Täter wollte verhindern, dass seine Tat entdeckt würde, und wollte deshalb, wenn auch spät, die Spuren seines Handelns beseitigen. Also suchten wir den Schuldigen unter Insassen, die sich mit Sprengstoff
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