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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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der Kamera lief. Er war von anderen Jünglingen mit Fahnen und gestreiften Tüchern umgeben. Alle sahen erregt aus.
    Einer schrie. Der Jüngling in der Mitte hatte blondes, ungepflegtes Haar und einen Schnurrbart, der sich an den Mundwinkeln etwas nach unten zog. Er hielt etwas in der Hand. Chavez zeigte auf den Gegenstand. Sara zeigte auf das nächste Bild. Es war eine Vergrößerung der Hand.
    In der Hand war der Griff eines Bierkrugs zu erkennen.
    »Der Täter vom Kvarnen«, sagte Chavez atemlos.
    Er riss das Foto herunter, dass die Wäscheklammern umherflogen. Er untersuchte es genau. Dicht an der Hauswand stand eine Gruppe von vier Männern. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. Aber durch die Tür presste sich gerade ein wohlbekanntes Gesicht nach draußen. Lebend sah er besser aus als tot.
    Es war 1 C. Der Fahrer des Mercedes in Sickla.
    Zwei Männer warteten auf ihn. Sie waren ebenso dunkelhäutig wie er. Sie unterschieden sich deutlich von den Trauben von Hammarbyfans.
    Chavez riss das letzte Foto herunter. Der Täter war verschwunden. Und die drei waren verschwunden. Gang 1 war abgehauen, sobald 1 C herauskam. Statt dessen erkannte man jetzt die Gruppe an der Hauswand deutlicher. Eine der Gestalten war wohlbekannt. Chavez kannte das Gesicht wohl von den Gefängnisfotos her. Sein Name war Sven Joakim Bergwall. 2 B. Auch er war jetzt tot.
    Gang 1 und Gang 2.
    Gruppenporträts.
    Sara Svenhagen stupste mit einer großen Plastikpinzette das Papier an, das noch im Entwicklungsbad lag. Sie drehte es um. Es entwickelte sich vor ihren Augen.
    Gang 2 war ebenfalls fort. Ein letzter Mann kam aus dem Restaurant Kvarnen. Fast seine ganze Gestalt wurde von Hammarbyfans verdeckt. Nur Konturen waren zu sehen.
    »›Der Polizist‹«, keuchte Jorge.
    »Was?« fragte Sara.
    »Du bist ein Genie, habe ich gesagt. Du, Sara Svenhagen, bist nichts Geringeres als ein Genie.«
    Er legte beide Hände an ihre Wangen. Sie leuchtete dunkelrot in der Finsternis. Er küsste sie und sank auf den Fußboden. Dann kroch er unter ihr T-Shirt und ließ sein Gesicht an ihrem Bauch nach oben gleiten bis zu den Brüsten. Er schleckte die Geschmäcker ihrer Haut.
    Sara Svenhagen schaute auf ihren großen Bauch hinab und streichelte ihn leicht.
    Ihr war, als leuchte er wie von einem inneren Licht.

26

    P aul Hjelm saß auf dem Sofa. Er hatte lange nicht auf einem Sofa gesessen. Überhaupt war er lange nicht zu Hause gewesen. Er erinnerte sich kaum noch daran, wie es war. Eine merkwürdige Ruhe breitete sich um ihn aus, als sei eine Glasglocke über ihn gestülpt worden.
    Um ihn herum war es nämlich nicht besonders ruhig. Die Familie lief im Reihenhaus in Norsborg hin und her. Aus weiter Ferne, vom Nachbarn herüber, hörte er die allseits bekannte Erkennungsmelodie der Abendnachrichten. Es war neun Uhr, und alle wollten weg. Zum ersten Mal seit langem hatte er Zeit, sich darüber zu wundern, dass die Kinder groß geworden waren. Kein Kuscheln mehr. Keine intimen Familienabende mehr. Kein Vorlesen mehr. Nur dieser zähe, sich hinziehende Aufbruch.
    Danne war siebzehn und wollte zum Fußball. Um neun Uhr abends? hatte Vater Paul protestiert. Es gibt einen Engpass bei den Trainingszeiten, hatte Danne sehr pädagogisch erwidert. Tiefer reichten ihre Gespräche nur noch selten. Würden sie später Zeit bekommen, den Schaden zu reparieren?
    Oder war es bereits zu spät? War schon alles zu spät? Würde ihn eines Tages – wie die netten Eltern Lindberg in Trollhättan – die Mitteilung erreichen, dass sein früher so wohlgeratener Sohn Nazi und Gewaltverbrecher geworden war? Wie würde er reagieren? Konnte man das überleben? Er sah erschreckende Parallelen – der wohlgeratene Niklas Lindberg wurde Offizier, sein eigener wohlgeratener Sohn wollte Polizist werden.
    Doch jetzt lief er wie ein Verrückter herum und warf allen, den neu angeschafften Papagei eingeschlossen, vor, bewusst und in böser Absicht seine Schienbeinschoner versteckt zu haben. Schließlich fand er sie, in sein eigenes altes, stinkendes Handtuch gewickelt. Ein wenig beschämt verließ er die Wohnung.
    Aber Tova war noch da. Fünfzehn Jahre und wahnsinnig. Von allen guten Geistern verlassen. Paul hatte keine eigenen Geschwister, und fünfzehnjährige Mädchen waren unbekanntes Territorium für ihn. Er staunte über das Spiel der Hormone. Jetzt wollte sie in die Disko, zum dritten Mal in dieser Woche. Er wusste nicht, wie viel Sorgen er sich machen sollte. Disko hörte sich auf

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