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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Doch das unterblieb. Die anderen waren bereits ins Gespräch vertieft.
    »Wieso hast du mich erkannt?« fragte Ludvig Johnsson Kerstin Holm.
    »Ich habe selbst ein wenig angefangen zu laufen«, sagte sie und erntete einen erstaunten Blick von Hjelm.
    »Kriegt ihr denn die Sicklaschlacht in den Griff?« fragte Ragnar Hellberg Hjelm. »Es scheint ja ein richtiges Wespennest zu sein.«
    »Das kannst du laut sagen. Wir haben ein paar Spuren eingekreist. Aber es stehen keine Festnahmen unmittelbar bevor.«
    »Jesses«, sagte Hellberg. »Du hörst dich an wie eine Pressemitteilung. Und jetzt wollt ihr mir auch noch Gunnar ausspannen.«
    »Das müssen wir erst noch sehen«, sagte Gunnar Nyberg. »Es fällt mir schwer, mich von den feinen Homepages im Internet loszureißen.«
    »Gunnar hinterm Computer ist für mich ein Widerspruch in sich«, sagte Hjelm. »Er ist der erdverbundenste Polizist, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Er hat einmal ein Auto kleingekriegt, mit einer Kugel in der Halsgegend.«
    »Er scheint viele Saiten klingen lassen zu können«, lachte Hellberg.
    Sara Svenhagen war mit anderen Worten diesem komischen Spanier ausgeliefert. Ihre Gedanken waren anderswo, und der erbärmlichen Einleitung folgte schleppende Zerstreutheit. Aber nicht von seiner Seite. Im Gegenteil. Mit Hilfe unermüdlicher Arbeit fand er am Ende eine Reihe gemeinsamer Gesprächsfäden, seltsamerweise betrafen sie das Internet, und plötzlich standen sie allein da und gaben einander gute Ratschläge für das Arbeiten mit Java Script. Außerdem hofierte er sie ununterbrochen. Tauschte den gleichsam festgewachsenen Kaffeebecher gegen ein Champagnerglas aus, stieß mit ihr an, betrachtete sie unverblümt, machte ihr Komplimente von einer Art, wie sie sie noch nie gehört hatte, achtete äußerst aufmerksam auf ihre Reaktionen. Und das Sonderbare geschah, dass sie allmählich das Gefühl bekam, gesehen zu werden. Im Ernst gesehen zu werden. Geschätzt. Aufgewertet. Die Lage war so bedrängt. Das Internet machte sie virtuell, löste ihre Konturen auf, die Pädophilie machte sie unempfindlich gegen erotische Gefühle, und wenn es ihr gelang, einen komplizierten Code zu knacken und eigenhändig einen Pädophilen zu fangen, durfte sie es niemandem erzählen. Sie hatte sich in eine Ecke manövriert, sich das Haar abgeschnitten, sich von einem grauenhaften Alptraum fesseln lassen. Sie war verschwunden, unsichtbar geworden. Der einzige, der sie sah, war Gunnar Nyberg, und er sah sie nur als eine Lichtgestalt, das wusste sie. Und plötzlich stand sie vor diesem feurigen kleinen Mann, der sie die ganze Zeit ansah, wirklich ansah, um ihre innersten Gefühle zu erforschen, und sie wollte nur ihr Haar lösen, wie eine alleinstehende junge Frau es manchmal tatsächlich tat. Doch es war kein Haar da, das sie lösen konnte. Dennoch tat sie es. Ließ ein wenig ihre Stoppelhaare flattern. Und er schien verzaubert und verzückt zu sein, von ihrer bloßen Existenz, und es gefiel ihr. Sie musste sich eingestehen, dass es ihr wirklich gefiel.
    Sie blieben stehen, bis das Bedienungspersonal hungrigen Hyänen gleich um sie zu kreisen begann. Sie merkten nicht, dass sie die letzten waren, dass das Fest schon lange vorbei war, dass das Polizeipräsidium so gut wie leer war für die Nacht.
    Als sie es schließlich merkten, hörte sie sich selbst sagen: »Kommst du noch mit auf eine Tasse Kaffee?«
    Sie knutschten im Taxi zur Surbrunnsgata, widmeten sich im Treppenhaus leichterem Petting, rissen sich im Flur die Kleider vom Leib und liebten sich in dieser vollkommen hemmungslosen Art und Weise, mit Auftakt im Flur, Durchführgang im Bett, Reprise auf dem Fußboden und da capo an ungenanntem Ort. Als sie wieder zur Besinnung kamen, fanden sie sich auf dem Küchenfußboden, ohne zu wissen, wie sie dort gelandet waren. Der Inhalt der Mülltüte lag über den Boden verstreut. Sie begriffen nicht, warum.
    Sara hatte das Gefühl, als habe sie sperrangelweit die Fenster aufgestoßen, als strömte die Luft herein wie angesogen von einem Vakuum, als flatterte ihr kurzes Haar wild im heftigen Wind. Sie schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest.
    Jorge kam es vor, als sei etwas umgestoßen worden. Sex war nicht mehr das Ende von etwas, es konnte auch der Anfang sein. Es war ein radikaler mentaler Umsturz. Er fragte sich, was das bedeuten mochte. Er lag zusammengekauert in ihrer Umarmung. Sie hatte die Arme um ihn geschlungen, und er lag zusammengerollt mit der Wange an ihrer

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