Falsches Spiel: Roman (German Edition)
einen erfolgreichen Lebensweg eingeschlagen hat. Ein klares Urteil konnte man da nicht von mir verlangen.
Als ich fortfuhr, war ich so heiter wie schon lange nicht mehr.
»Und wo willst du jetzt wohnen?«
Er antwortete, ohne mich anzuschauen.
»Ich dachte, wenn es für dich okay ist, ziehe ich wieder zu Hause ein, bis ich etwas anderes gefunden habe.«
Sprachlos war ich nicht. Tausende von Worten kamen mir in den Sinn, aber ich hatte Angst, dass es die falschen sein könnten. Deswegen beschränkte ich mich aufs Allernotwendigste.
»Natürlich. Komm, wann du magst. Und so lange du willst.«
Ich hoffte, den richtigen Ton getroffen zu haben. Offenbar war es so, denn er lächelte mich an. Es war dasselbe zögerliche Lächeln, das ich noch von meinem kleinen Sohn kannte.
»Danke. Wenn ich alles organisiert habe, ruf ich dich an.«
Er drehte sich um und ging zu einem roten Kleinwagen. Bevor ich mich zu meinem Minivan begab, schaute ich zu, wie er einstieg und davonfuhr.
Zwei Tage später kam Roberto mit einem Koffer und einer Tasche nach Hause. Er zog in sein altes Zimmer, und wenn ich abends schlafen ging, freute ich mich, dass er da war.
Bis ich den Zettel fand und ihn mit diesem Mann zusammen sah.
Fünf
Ich sitze bei angeschaltetem Motor im Wagen, kann mich aber nicht trennen von dieser staubigen Parkbucht wenige Dutzend Meter von einem vertrauten Ort und Rosas verlässlicher Freundschaft entfernt. Wie in dem Fernsehquiz regnet es Worte, aber ich wähle nicht die richtigen und auch nicht den richtigen Ort, um sie zu sagen. Ich schaue auf die Uhr am Armaturenbrett. In diesem Moment sitzen die Spieler im Hotel Martone, ein wenig außerhalb der Stadt an der Ausfallstraße nach Turin, und essen zu Mittag.
Sandro Di Risio, der Trainer, steigt am Vorabend eines Spiels immer mit der Mannschaft dort ab, nach einem lockeren Abschlusstraining am Nachmittag. Das machen alle Mannschaften so, auch die wichtigen der Ersten Liga. Es stärkt den Gruppenzusammenhalt, wenn man den menschlichen Faktor mit dem sportlichen vereint. Die Jungs sitzen zusammen, spielen Karten, hocken vor der Play Station, und manch einer liest sogar ein Buch. Sie werden umsorgt und behütet, denn wenn man den Großteil seines jungen Lebens damit verbracht hat, hinter einem Ball herzulaufen, und ständig zu Bestleistungen angespornt wird, dann mag man ein erfahrener Spieler sein, aber man hat nicht viel Erfahrung mit dem Leben. Am Ende des Mittagessens wird die Aufstellung verkündet, und wieder eine Stunde später steigen alle in den Mannschaftsbus und werden zum Stadion gebracht. Nur im Ausnahmefall wird es Spielern gestattet, im eigenen Wagen zum Spiel zu fahren.
Die Idee, ins Hotel zu gehen, um mit dem Trainer zu reden, habe ich verworfen. Roberto steckt nicht allein in der Sache drin. Es müssen noch andere Spieler eingeweiht sein, sonst wäre das Ganze nicht machbar. Das Problem ist, dass ich mit einer Ausnahme nicht weiß, wer es ist. Mein Auftauchen würde meinen Sohn und in der Folge auch die anderen misstrauisch machen.
Und doch bin ich wild entschlossen, diese Jungs daran zu hindern, sich ihr Leben zu ruinieren. Ich muss sie davor bewahren, dass sie eines Tages, wenn sie ihren Sohn von der Schule abholen, eine Stimme rufen hören: »He, wo geht’s hin? Nach Hause oder in den Knast?« Und das sollte ich möglichst tun, ohne der Mannschaft die Chance zu vermasseln, diese wichtigste Partie ihrer Geschichte zu gewinnen.
Im Prinzip bleibt mir nur Di Risio, wobei zu hoffen ist, dass er nichts mit der Sache zu tun hat. Was das betrifft, bin ich mir zu neunundneunzig Prozent sicher, denn hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Seine Trainingsmethoden haben ihn quasi über Nacht bekannt gemacht, und es interessieren sich viele Mannschaften für ihn, selbst solche der Ersten Liga. Er ist intelligent und würde nicht das Risiko eingehen, wegen solch einem Mist seine Karriere zu ruinieren.
Ich nehme mein Handy und wähle die Nummer des Mister.
Beim dritten Klingeln geht er dran.
»Ja?«
Eine müde Stimme. Eine etwas ausgelaugte Stimme. Eine Stimme, der man die Anspannung anhört.
Meine ist dringlich.
»Hallo, Mister. Hier ist Silvano. Sind die anderen bei Ihnen?«
»Ja.«
»Dann nennen Sie nicht meinen Namen und ziehen sich am besten in eine ruhige Ecke zurück.«
»Warum?«
»Bitte tun Sie, was ich sage. Vertrauen Sie mir.«
Nach einer weiteren Sekunde kommt die Antwort. Jetzt liegt eine Spur Neugierde in der Stimme.
»Warten
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