Falsches Spiel: Roman (German Edition)
Sie.«
Ich höre, wie ein Stuhl zurückgeschoben wird, dann Schritte, dann eine Tür.
»So, jetzt bin ich alleine. Was ist los, Silver?«
»Ich muss mit Ihnen reden. Noch vor dem Spiel. Es geht um etwas sehr Wichtiges.«
»Spucken Sie aus.«
»Ich möchte nicht am Telefon darüber reden. Wir müssen uns treffen. Alleine. Glauben Sie mir, es ist wirklich wichtig.«
In das letzte Wort lege ich all die Angst, die ich in mir trage. Auf der anderen Seite kommt das an. Di Risio kennt meine Geschichte, wir haben mal im Bus auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel darüber gesprochen. Er weiß, was ich getan und wie teuer ich dafür bezahlt habe. Ihm ist klar, dass ich nicht einfach daherrede und dass ich die Bedeutung der Dinge kenne.
»Okay. Ich habe bereits die Aufstellung bekannt gegeben. In einer Dreiviertelstunde kann ich am Stadion sein. Hunger habe ich sowieso nicht. Wir sehen uns in meiner Kabine.«
»Bis später also.«
Am anderen Ende wird die Verbindung unterbrochen. Ich sehe vor mir, wie Di Risio noch eine Weile auf sein Handy starrt. Dann wird er zu seinen Spielern zurückkehren und so tun, als wäre nichts. Nach unserem Treffen später wird er sicher begreifen, wie viel Überwindung mich mein Anruf gekostet hat.
Ich lege den Gang ein und fahre los. Die Zeit der Unentschiedenheit ist vorbei.
Nachdem ich den Parkplatz verlassen habe, fahre ich in die Richtung zurück, aus der ich gekommen bin. Irgendwann gelange ich wieder an die Kreuzung. Ich biege links ab, und das Stadion liegt vor mir. Etliche Fangruppen warten schon vor den Toren auf Einlass. Statt zum Parkplatz und zur Einfahrt abzubiegen, fahre ich am Stadion vorbei.
Unterwegs lasse ich die Hand in meine Hemdtasche gleiten. Der Zettel ist noch da, zerknittert und anklagend. Ich muss ihn nicht herausholen und auseinanderfalten, ich weiß, was draufsteht. In einer eiligen, kantigen Schrift wurden Worte aufs Papier geworfen, die ich mittlerweile auswendig kenne.
Die endgültige Quote könnte bei 10 liegen. Wir sprechen am Dienstag nach dem Training darüber, auf dem Platz vor dem Friedhof. Dann kannst du mir auch sagen, mit wie viel du dabei bist. L.
Die Art und Weise, wie man gewisse Dinge entdeckt, ist immer banal. Und banal ist auch die Art und Weise, wie sie dann Einfluss auf unser Leben nehmen, indem der Tropfen allmählich zur Flut anschwillt. Es ist die Geschichte vom Pferd, das einen Nagel verliert und in der Folge ein Hufeisen, worauf der General das Gleichgewicht verliert und das Heer seine Führung und der König die Schlacht und schließlich den ganzen Krieg. Ein verlorener Krieg wegen eines Hufnagels. Begegnungen, Verknüpfungen, üble Vorsätze, gute Absichten, alle köcheln sie im Kessel des Zufalls. Die ganze Welt ist darin enthalten, und die Flamme darunter erlischt nie.
Ich wohne in einem zweistöckigen Häuschen, umgeben von einem kleinen Garten. Meine Frau und ich konnten uns das leisten, da wir dank meines Gehalts und ihrer Einkünfte aus Strickarbeiten ein regelmäßiges Einkommen hatten und die Last der monatlichen Kreditraten schultern konnten. Es ist ein schlichtes, quadratisches Ziegelhaus mit einem gewöhnlichen Walmdach. Im Garten wuchsen Elenas Blumen, und ich hatte mich auf die Vorzüge eines Gemüsegartens besonnen, wie ich ihn von meinem Vater her kannte, das einzige Erbe, das ich ihm verdanke. Seit dem Tod meiner Frau kümmere ich mich ihr zu Ehren um die Blumen, für Tomaten und Zucchini hingegen vermag ich kein Interesse mehr aufzubringen.
Ein paar Schritte vom Hintereingang entfernt steht unter einem Schutzdach an der Gartenmauer die Mülltonne. Manchmal passiert es, dass streunende Katzen, angezogen vom Gestank, die Tonne umwerfen und mit ihren Krallen die Müllbeutel aufreißen. Der gesamte Inhalt wird auf der Erde verstreut, und mir kommt die wenig angenehme Aufgabe zu, alles wieder einzusammeln.
Und so geschah es dann. Das Pferd, das den Hufnagel verliert, verliert auch das Hufeisen …
Als ich die Spuren der letzten Heldentat irgendwelcher dahergelaufener Katzen, die ich in diesem Moment am liebsten einen Kopf kürzer gemacht hätte, beseitigen durfte, fiel mein Blick auf einen zerknitterten und mit Soße verschmierten Zettel. Ich hob ihn auf, und als ich ihn las, fühlte ich mich innerlich so leer wie an jenem Morgen, als ich die Tür öffnete und uniformierte Polizisten vor der Tür standen und mich fragten, ob ich Silvano Masoero sei.
Es tut uns leid, aber Sie müssen mit uns kommen …
Ich dachte
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