Falsches Spiel: Roman (German Edition)
explodierten sie dann regelrecht. Mit jedem Tag wuchsen die Liebe und die Bewunderung der Fans, Mannschaftskameraden und Journalisten. Und in der laufenden Meisterschaft führte er die Mannschaft schließlich an die Tabellenspitze und schürte Aufstiegsträume.
So wurde ich von Silver, dem Magazinverwalter, zum Vater des Raubeins.
Ich hielt mich aber wohlweißlich im Hintergrund und verspürte beim Lesen der Artikel immer Panik, dass irgendjemand geschrieben haben könnte, wessen Sohn er war. So sehr fürchtete ich um seine Zukunft und schämte mich für meine Vergangenheit, dass ich es nicht fertigbrachte, auf seine gegenwärtigen Leistungen stolz zu sein.
Vor einiger Zeit hat uns der Zufall dann an einem Ort zusammengeführt, wo wir beide schutzlos sind.
Ich war zum Friedhof gegangen, zum Grab meiner Frau. Gerade hatte ich mich hingehockt und wollte die Tulpen in der Vase arrangieren, Elenas Lieblingsblumen, als ich Schritte auf dem Kies hörte. Ich drehte mich um, und da stand er, in der Hand einen Blumenstrauß.
Ebenfalls Tulpen.
Ich sagte nichts. Roberto kam näher und reichte mir seine Blumen. Er wartete, bis ich sie zusammen mit den meinen arrangiert hatte, so dass man am Ende nicht mehr sagen konnte, welche von ihm waren und welche von mir.
Dann standen wir vor dem Grab und betrachteten das Foto auf dem Grabstein. Wir schwiegen immer noch, jeder in seine eigenen Gedanken und seine eigene Scham versunken. Die Sonne in unserem Rücken malte zwei Schatten auf den Marmor und auf Elenas Keramikbild. Es war der einzige Ort auf Erden, an dem man sich ihr noch nahe fühlte. Ich schaute Roberto nicht an, um nicht zum tausendsten Mal feststellen zu müssen, wie ähnlich er seiner Mutter sah.
Die Stimme meines Sohns erreichte mich vollkommen unvermittelt und klang älter, als er war.
»Fehlt sie dir?«
»Jeden einzelnen Tag. So wie ich ihr fehlen würde, wenn ich als Erster gegangen wäre, das weiß ich.«
»Mir fehlt sie auch. Sie war eine wunderbare Frau.«
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wunderbar. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn sie nicht da gewesen wäre, als …«
Ich seufzte, bevor ich das Wort aussprach, das ich nie in seiner Gegenwart in den Mund genommen hatte.
»Als ich aus dem Gefängnis kam.«
Wie ein Fallbeil raste das Wort auf mögliche Anschlussworte hinab. Er zog es vermutlich vor, nichts darüber zu wissen, und ich war nicht in der Lage, ihm irgendetwas zu erklären. Eine Weile standen wir dort, ohne etwas zu sagen. Beide dachten wir an bestimmte Worte und Gesten und warteten darauf, dass unsere Schatten länger wurden.
Schließlich brachen wir auf und begaben uns Seite an Seite zum Friedhofsausgang. Ich wusste nicht, worüber ich reden sollte. Um auf vertrautem Terrain zu bleiben, sprach ich von der Mannschaft.
»Wie war’s beim Training?«
»Ganz gut, aber die Aufstellung steht weiterhin in den Sternen. Pizzoli ist immer noch nicht ganz fit, deshalb wird vermutlich Zandonà oder Melloni auf seiner Position spielen.«
»Mit Carbone auf der Außenbahn?«
»Wäre möglich. Aber du weißt ja, wie zugeknöpft der Mister ist, und er lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen.«
»Wenn du weiter so spielst wie bisher, muss er sich nicht viel einfallen lassen.«
Mit einer beiläufigen Geste schien Roberto abtun zu wollen, was er auf dem Spielfeld leistete. Mir war es wichtig, meinen Standpunkt noch einmal zu bekräftigen, nicht als Vater, sondern als Sportler.
»Du bist der Held der Stadt. In meiner Bar werden mir täglich Getränke spendiert, nur weil ich dein Vater bin.«
Inzwischen hatten wir das Tor erreicht. Wir traten hinaus, und ich hielt nach seinem Wagen Ausschau. Er merkte es und lächelte.
»Da kannst du lange suchen. Den Porsche gibt es nicht mehr. Ich habe ihn verkauft.«
Er ließ mir keine Zeit für eine Reaktion.
»Und das Haus habe ich auch verkauft.«
Ich war derart berührt von unserem neuen Umgangston und diesem ungewöhnlichen Zusammentreffen, dass mir gar nicht auffiel, wie eilig er den nächsten Satz hinwarf, als wäre es eine Neuigkeit, für die er sich schämen und rechtfertigen müsste.
»Man hat mir ein unglaubliches Angebot gemacht, eines von der Sorte, die man nicht ablehnen kann. Und der Typ, der das Haus gekauft hat, wollte unbedingt auch den Wagen.«
»Na klar. Er wird es kaum fassen können, dass er nun Haus und Wagen des Raubeins besitzt.«
Ich lächelte. In diesem Moment war ich ein Vater mit einem Sohn, der
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