Falsches Spiel
lange darüber nach.
»Ich möchte, dass du ein paar Sachen packst, denn du wirst ein paar Tage in einem Landhaus in Mercedes verbringen. Hier ist die Adresse«, sagte ich und schrieb auf einen Zettel: »Calle 8, zwischen 0 und 1«.
Ich reichte ihn ihr, und María sah mich mit großen Augen an; sie konnte nicht glauben, dass ich sie mit einer solchen Aufgabe betraute.
»Dort wohnen José Luis und María Inés, Freunde von Carla Forrester, und eine gewisse Andrea Vilches, das ist die Frau, die an dem Abend aus dem Haus von Señora Carter kam, als sie ermordet wurde. Ich glaube, sie weiß nichts von dem Mord, aber ich will sichergehen. Halte dich bedeckt und hör dich um. Du sagst einfach, ich hätte dich geschickt, damit du dich um sie kümmerst und damit wir in Kontakt bleiben. Jeden Abend um zehn rufst du mich an und erzählst mir, was es Neues gibt. Vergiss das nicht. Wenn ich aus irgendeinem Grund nicht rangehe, melde dich bei Espiño. Alles klar?«
»Ja«, sagte sie sehr ernst, aber es war ihr anzusehen, wie aufgeregt sie war.
»Noch Fragen?«
María blickte kurz aus dem Fenster.
»Ist es gefährlich?«, fragte sie schüchtern.
Ich wägte die Lage ab.
»Ich glaube nicht«, sagte ich und versuchte sorglos zu wirken, obwohl mir ihre Frage einen Stich versetzt hatte. »Aber man weiß nie. Ich kenne die drei kaum, und ich weiß nicht, ob sie etwas mit der Sache zu tun haben. Meine Intuition sagt Nein, und gewöhnlich irre ich mich nicht, aber …«
»Und was mache ich, wenn es gefährlich wird?«
Die Frage beunruhigte mich noch mehr.
»Von was für einer Gefahr redest du denn?«, fragte ich unbeholfen und ein wenig ungeduldig.
»Was weiß ich, Gefahr eben. Damit kennst du dich doch besser aus.«
»Wenn dir etwas komisch vorkommt, nimmst du den Zug und kommst sofort zurück. Ich will nicht, dass du in eine Situation hineingezogen wirst, über die du keine Kontrolle hast.«
»Und was soll ich herausfinden?«
»Du sollst herausfinden, wo Marcelo vor seinem Verschwinden gewohnt hat.«
»Marcelo?«, fragte sie neugierig.
»Carlas Freund.«
»Was ist mit ihm passiert?«
»Er wurde nicht mehr gesehen, seit Carla verschwunden ist. Es heißt, ihm sei die Düse gegangen, weil die Polizei ihn unter Druck gesetzt hat, er hatte Schiss, man würde ihn mit der Sache in Verbindung bringen. Er ist jetzt in La Falda, in einem anderen Haus von Señora Carter. Die Adresse bräuchte ich auch.«
»Denkst du, Carla hält sich mit Marcelo in dem Haus versteckt?«
»Möglich.«
Sie stand auf und lief zur Tür.
»Ich springe kurz bei mir zu Hause vorbei, packe ein paar Sachen, und dann mache ich mich auf den Weg nach Mercedes.«
»Wart mal ’ne Sekunde.«
Ich stand auf, ging zu meinem Jackett und nahm den Schlüsselbund heraus. Dann öffnete ich die zweite Schreibtischschublade, in der ich meine Waffen aufbewahre, und holte eine Beretta aus dem Jahr 1934 heraus. Ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg. Klein, neun Millimeter, sieben Schuss. Ich wusste, dass María hervorragend damit umgehen konnte. Ich selbst hatte es ihr beigebracht.
»Nimm sie mit«, sagte ich und legte sie auf den Schreibtisch.
Sie sah mich irritiert an.
»Nur für alle Fälle«, bemerkte ich, um sie zu beruhigen.
Es gelang mir nicht. Ängstlich sah sie mich an, nahm die Waffe, gab mir einen Kuss und verschwand.
Schweigend starrte ich auf die Tür, die sich hinter ihr geschlossen hatte. Ich fragte mich, warum ich ihr die Pistole gegeben hatte, und ob ich nicht gerade einen Fehler beging, den ich für den Rest meines Lebens bereuen würde.
15
Ich ermittelte nun seit vier Tagen, Zeit, einen Vorbericht für die Forresters zu verfassen. Das war der schlimmste Teil meiner Arbeit, und normalerweise ließ ich das immer bis zum Schluss liegen, doch diesmal war in kurzer Zeit so viel passiert, dass ich alles noch einmal Revue passieren lassen musste.
Ich stellte die Lexicon 80 von Marías Schreibtisch auf meinen und machte mich ans Werk. Ereignisse, Namen. Auch Susana Tudor und ihr Mann Andrés kamen mir dabei wieder in den Sinn und mir fiel auf, dass letzterer und Juan Carlos Forrester zwei Gemeinsamkeiten hatten: Sie waren beide Ärzte und beide schwul.
Ich ging zu meinem Archiv und holte die Akte von Andrés Tudor heraus, um etwas nachzusehen, das mir die ganze Zeit im Kopf herumging. Als ich die Metallschublade zuschob, musste ich Kraft anwenden, denn die Rollen blockierten; durch den Schlag flog jede Menge Staub auf, der in meiner Nase
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