Falsches Spiel
einem Zug. Nach diesem Hirnputzer gab es zwei Möglichkeiten: Entweder man war getröstet oder man fiel in Ohnmacht. Sie war getröstet.
»Was soll ich machen?«, fragte Andrea und trocknete sich mit dem Taschentuch das Gesicht, das ich ihr – ganz Kavalier – gereicht hatte.
»Am besten abwarten, denn wenn Sie jetzt zur Polizei gehen, wird man Ihnen den Mord in die Schuhe schieben. Die haben im Moment keine Ahnung, wer Sie sind oder wo man Sie finden kann.«
María Inés musste wieder heulen. Die anderen waren bereits gefasst genug, um meine raue Art ertragen zu können. Andrea hatte die Situation am besten von allen begriffen, sie steckte ja auch am tiefsten drin.
»Gehen wir mal davon aus, ich gehe nicht zur Polizei, und der Mörder wird nicht gefasst. Irgendwann werden sie auf mich stoßen und behaupten, ich hätte mich nicht gleich gestellt, weil ich etwas zu verbergen hätte. Um ehrlich zu sein, lege ich keinen gesteigerten Wert darauf, den Rest meines Lebens auf der Flucht zu sein.«
»Gut beobachtet, aber ich an Ihrer Stelle würde das Risiko eingehen. Wenn Sie jetzt hingehen, wird man Sie verhaften. Wenn Sie später hingehen, ebenfalls. Was ist Ihnen lieber? Jetzt oder später, es kommt aufs selbe hinaus. Aber in der Zwischenzeit könnte ich meine Ermittlungen fortsetzen.«
Ich spürte, dass ich allmählich ihr Vertrauen gewann. José Luis meinte schon fast flehentlich:
»Glauben Sie, Sie finden den Mörder?«
Ich fand die Frage ausgesprochen dämlich, vielleicht reagierte ich deshalb zu offen.
»Keine Ahnung. Man hat mich vor drei Tagen angeheuert, um Carla zu finden, und ich trete auf der Stelle; statt dessen bin ich jetzt als Zeuge in einen Mordfall verwickelt.«
»Aber Sie werden uns doch helfen, ihn zu finden?«, fragte María Inés.
Sie wirkten so hilflos, dass ich Mitleid hatte.
»Ich werde tun, was ich kann«, log ich, denn meine Aufgabe war es, Carla zu finden. Es war nie die Rede davon, dass ich einen Mörder jagen sollte. »Aber dazu müssen Sie mir helfen.«
»Was können wir tun?«, fragte Andrea entschlossen.
»Sagen Sie mir alles, was Sie über Carla und ihren Freund, diesen Marcelo, wissen.«
»Er hat Carla den Kopf verdreht. Sie sind zusammen oder so ähnlich …«, ergriff María Inés das Wort, ohne ihr Missfallen zu verbergen. Forresters Verdacht, dass sie auf Carla stand, schien sich zu bestätigen.
Verärgert blickte José Luis sie an.
»Jetzt spiel dich nicht so auf; Marcelo und Carla lieben sich. Als Carla verschwunden ist, hat Marcelo beschlossen abzutauchen, weil er wusste, dass die Polizei und Carlas Eltern ihn beschuldigen würden, dass er ihr eingeredet hätte abzuhauen.«
»Und wo ist Marcelo jetzt?«, fragte ich.
»In La Falda. Ein weiterer Ort, den Señora Carter eingerichtet hat, um die Außerirdischen zu empfangen.«
»Das mit den Außerirdischen, ist das so eine Art Feigenblatt?«, fragte ich.
»Ein was?«, meinte Andrea unvermittelt.
Ich war genervt und musste zugleich lachen. Ich zündete mir noch eine an.
»Ein Feigenblatt, eine Tarnung, das, womit Adam sein Gemächt vor Eva verbarg.«
Andrea lachte.
»Nein, es ist kein Feigenblatt, wie Sie sagen. Das gibt es tatsächlich. Haben Sie schon mal vom Projekt Alpha Eins gehört?«
Ich erinnerte mich an das Heft im Arbeitszimmer von Señora Carter.
»Nein«, log ich erneut.
»Seit fünfzig Jahren senden uns Außerirdische von sehr fernen Galaxien verschlüsselte Botschaften und kündigen uns ihre Ankunft auf der Erde an. Señora Carter ist einer der Erdenbewohner, die von ihnen auserwählt wurden, um bestimmte Landebasen zu errichten. Niemand weiß das, aber auf diesem vier Hektar großen Landgut bauen wir heimlich eine Landebahn und unterirdische Unterkünfte, damit die Außerirdischen sich bei ihrer Ankunft geschützt fühlen. Sie können sich ja vorstellen, was passiert, wenn die Regierung erfährt, dass Wesen von anderen Planeten auf der Erde landen. Wahrscheinlich würden sie sich gleich mit dem US-amerikanischen Geheimdienst in Verbindung setzen und sie ihnen für Kredite und andere Pfründe als Versuchskaninchen überlassen. Man würde sie jagen. Wir als pazifistische und humanistische Gruppe glauben tief und fest an die Botschaft der Liebe und Brüderlichkeit, die uns die Außerirdischen senden, und deshalb haben wir beschlossen, auf sie zu warten und sie willkommen zu heißen.«
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn und
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