Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
durchstellen. » Frau Massary«, flötete er kurz darauf mit überschwänglicher Stimme. » Welch ein Vergnügen, Ihre Stimme zu hören. Ja, wir sind gerade mit dem Vorsingen durch. Der Herr Musikdirektor und ich haben uns gerade entschieden … Wir haben eine wunderbare Besetzung für den Grafen von Orlowski.« Er warf Ricky einen aufmunternden Blick zu. » Wie meinen? …« Seine Konzentration wandte sich wieder seiner Gesprächspartnerin zu.
Ricky war viel zu aufgeregt, um das Gespräch weiterzuverfolgen. Ihr Herz klopfte vor Aufregung, während sie sich ihre Zukunft in buntesten Bildern ausmalte. Bald würde sie mit der großen Sängerin Fritzi Massary zusammen auf der Bühne stehen! In ihrer Fantasie stellte sie sich vor, wie sie als Graf von Orlowski der Adele eine Bühnenausbildung als Mäzen ermöglichen würde. Daraufhin würde Adele sie umarmen und dann …«
» Fräulein van Houten?«
Freudestrahlend kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Den veränderten Ausdruck im Gesicht des Intendanten bemerkte sie erst nicht.
» Es tut mir leid«, räusperte er sich und warf dem musikalischen Leiter einen bedauernden Blick zu. » Frau Massary hat mir soeben mitgeteilt, dass sie darauf besteht, dass die Rolle des Grafen von Orlowski mit einem Mann besetzt wird und nicht mit einer Hosenrolle. Ihr schwebt ihr Freund Hugo Wachter vor, der ihr bereits auch schon zugesagt hat.«
» Hugo Wachter, dass ich nicht lache!«, wetterte nun der Musikdirektor. » Richard Strauss hat die Rolle nicht umsonst als Mezzosopran ausgelegt. Das ist einfach unglaublich, wie die Massary sich über den Meister hinwegsetzt. Ich bestehe auf den Mezzosopran. Fräulein van Houten ist eine gute Wahl. Sagen Sie ihr das!« Er rollte drohend mit den Augen. Der Intendant hob beschwichtigend die Hände. » Aber Carel, nun haben Sie sich doch nicht so. Es ist durchaus üblich, dass auch ein Tenor die Rolle übernimmt. Wenn Sie sich so anstellen, wird die Massary überhaupt nicht auftreten. Mir wäre Fräulein van Houten auch lieber. Vor allem, weil dieser Wachter nur mit Mühe seinen Part durchbringen wird. Aber mir sind die Hände gebunden. Er ist ein enger Freund der Massary und …«
Ricky hörte dem weiteren Streitgespräch fassungslos zu. Für die beiden Theatermenschen war sie längst zu einem unwichtigen Utensil geworden. Ihre eben noch so heftig empfundene Euphorie platzte wie eine Seifenblase. In ihren Ohren begann es wild zu rauschen. Wie in Trance stolperte sie auf die Tür zu und verließ den Raum, ohne sich zu verabschieden.
» Na, ick hab dir ja jleich jesacht, dat det nischt wird!« Mit diesen aufmunternden Worten wurde sie ausgerechnet von ihrer Mitkonkurrentin Fritzi empfangen. Die Schadenfreude stand ihr richtig ins Gesicht geschrieben. » Dann werd ick mir mal meene Rolle holen.« Ricky hatte für sie nicht viel mehr als ein resigniertes Schulterzucken übrig.
» Von mir aus«, entgegnete sie verbittert. » Wenn du glaubst, dass du ein Mann bist, dann kannst du es ja versuchen.«
» Wa? Willste mia veräppeln?« Fritzi baute sich drohend vor ihr auf.
» Die Massary will, dass ihr Freund Hugo Wachter die Rolle übernimmt«, erklärte Ricky tonlos. » Und der Herr Intendant hat sofort klein beigegeben, obwohl er mir vorher die Rolle versprochen hat. Das ist einfach nur gemein.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihr jetzt Tränen hochstiegen. All ihre Hoffnungen waren nun mit einem Schlag begraben.
» Nu heul doch nich«, meinte Fritzi ganz kumpelhaft. Sie schien sich aus dieser Niederlage weit weniger zu machen. » Davon jeht die Welt ooch nich unter!«
» Eben doch!«, schniefte Ricky und ließ ihren Tränen nun freien Lauf. » Das war meine letzte Chance!«
» Ach, Quatsch!« Fritzi übernahm ganz selbstverständlich die Rolle der Trösterin. » Irjendwo jibt es imma ne Lösung.« Sie legte ihr beruhigend den Arm um die Schulter und führte sie aus dem Metropol auf die belebte Behrensstraße. Wie zum Hohn stach die Sommersonne ihnen mitten ins Gesicht.
» Nu komm, ick kenn ein Café, da kannst mir deen janzes Herz ausschütten«, schlug Fritzi nicht ganz uneigennützig vor. » Musste mia nur en Kaffe für spendieren.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog sie Ricky mit sich.
Nach einer Tasse Kaffee und einem herrlich duftenden Stück Apfelkuchen sah die Welt auch für Ricky nicht mehr ganz so trüb aus. Fritzi plapperte ohne Unterlass und erzählte ihr en passant, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen
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