Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Welt, von ihren eigenen verpatzten Bewerbungen. Die junge Frau war eine waschechte Berliner Göre aus dem Wedding mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Ihre muntere Art wirkte ansteckend, und bald gelang es sogar Ricky, ihrer gerade gescheiterten Bewerbung eine gewisse Komik abzugewinnen. Fritzi war nicht unbedingt eine Schönheit, eher mager und ziemlich knochig, dafür besaß sie einen koketten Charme, der sie Ricky sympathisch erscheinen ließ. Außer ein paar Gesangsstunden bei einem fragwürdigen Hinterhof-Troubadour, der sich als Leierkastenmann und Jahrmarktskünstler durchs Leben schlug, hatte Fritzi keinerlei musikalische Ausbildung genossen. Trotzdem bezeichnete sie sich ausgesprochen selbstbewusst als » Chansonnette«.
» Weeste«, erläuterte sie selbstbewusst, » singen musste nur unjefähr können, det andere is nur der Charme.« Ricky bezweifelte das, wollte ihre neue Freundin jedoch auf keinen Fall beleidigen und schwieg. Vielleicht traf das ja für die Revuen und Kabaretts zu, von denen es in Berlin so viele gab. Bislang hatte sie es nie auch nur in Erwägung gezogen, sich für solch ein – wie Valentin es nannte – » triviales« Engagement zu bewerben. Er hatte sie immer als ernsthafte Sängerin gesehen, obwohl Ricky durchaus Spaß an der leichten Muse hatte. Während sie so nachdachte, plauderte Fritzi unbekümmert eine um die andere Anekdote aus ihrem verkorksten Leben aus, die schlussendlich mit dem Fazit endeten, dass sie als Chormädchen in drittklassigen Revuen auftrat. » Wenn de nischt alles jibst«, fasste sie zusammen, » dann haste ooch keene Changse. Die meesten Kerle wollen dir nur an die Wäsche.«
Ricky unternahm erst gar keinen Versuch, ihr zu widersprechen, denn auch ihr war längst klar geworden, dass sie ohne Beziehungen oder unanständige Zugeständnisse in der Theaterbranche so gut wie keine Möglichkeiten bekommen würde. War sie nicht an allen großen Opern- und Schauspielhäusern gescheitert? Meist hatte man sie nicht einmal bis zum Intendanten vorgelassen, und wenn doch, wurde aus dem Vorsingen rasch eine Einladung für ein Tête à Tête, das eindeutig nichts mit ihren musikalischen Fähigkeiten zu tun hatte. Ricky war nicht naiv und hatte diese eindeutigen Offerten freundlich, aber bestimmt abgelehnt. Ein schales Gefühl war dennoch geblieben. Außerdem begannen ihre Misserfolge ihr allmählich aufs Gemüt zu schlagen. Sie hatte sich hier in Berlin alles viel leichter vorgestellt und musste sich nun eingestehen, dass ihr Talent entweder nicht groß genug war oder sie einfach nicht geschickt genug war, um in diesem Haifischbecken zu bestehen. Sollten ihre Eltern am Ende doch recht behalten? Zwar gab sich Valentin alle Mühe, ihr zu helfen. Doch bislang hatte er ihr nicht viel mehr als die Stellung einer Bürogehilfin in seinem Theater in Aussicht stellen können. Sie hatte diese erst kürzlich naserümpfend ausgeschlagen. Aber jetzt sah es so aus, als wäre es noch die beste aller schlechten Möglichkeiten gewesen, es sei denn, sie würde wieder nach Afrika zurückgehen. Aber so weit wollte sie es nicht kommen lassen. So schnell ließ sich eine Ricky van Houten nicht unterkriegen! Wenn es mit der Bühne nicht klappte, dann eben anders.
» Adieu, du schöne Opernwelt!«, seufzte sie schicksalsergeben. » Jetzt muss ich wohl oder übel eine Arbeit im Büro beginnen.«
» Bäh.« Fritzi rümpfte angewidert die Nase. » Lieber würd ick mir mit dem Zeh in der Nase bohren! Kannste denn nischt anderes?«
Ricky zuckte mit den Schultern. Es war Zeit zu gehen. Ihr blieb im Moment nur die Hoffnung, dass die Stelle im Büro noch nicht besetzt war.
» Mach’s gut«, meinte sie mit einem säuerlichen Lächeln. » Wir sehen uns bestimmt mal wieder.«
» Nu wart doch mal!« Fritzi zog sie wieder auf ihren Stuhl zurück und kratzte sich nachdenklich am Kopf. » Ick glob, ick hab da doch noch ’ne Idee. Haste nich jesacht, dass de tanzen jelernt hast?«
Ricky horchte auf. » Nun ja«, gab sie zu. » Meine Ausbildung zur Balletttänzerin habe ich fast abgeschlossen. Ich hatte bis vor Kurzem Tanzunterricht. Joel meinte, ich sei nicht ganz unbegabt.«
» Na, Hauptsache, du bist beweglich«, meinte Fritzi großspurig. » Im Folies-Caprice, da suchen se noch Tanzgirls, weeste, det sind die, die wie Maschinen tanzen. Die zahlen zwar nich sonderlich ville, aber kennenlernen tuste da allet, wat Rang und Namen hat. Hin und wieder treten da sogar so Berühmtheiten wie die Claire
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