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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Rip Van Winkle plötzlich mitten in der Schlacht an der Somme oder in El Alamein aufgewacht waren, suchten die Zollbeamten verzweifelt Deckung, fanden jedoch heraus, daß Hinlegen in akustischer Hinsicht noch fataler als Stehen war. Schlimmer noch, es verhinderte, daß sie durchgedrehten Schafen und wahnsinnigen Ochsen ausweichen konnten, die, erschreckt von dem grauenhaften Lärm, in Panik geraten waren.
Selbst im Haus, wo man Dr. Magrew und Mr. Bullstrode gewarnt hatte, es könnte ratsam sein, mit dem Kopf unter statt auf dem Kissen zu schlafen, war der Schlachtenlärm gewaltig.
Dr. Magrew, der an der Schlacht an der Somme teilgenommen hatte, war beim Aufwachen überzeugt, wieder dort zu sein, während sich Mr. Bullstrode in der Überzeugung unter sein Bett warf, von Amok laufenden Zollbeamten an Leib und Leben bedroht zu werden, da diese unter dem festen Vorsatz, Mr. Mirkins Schicksal zu entgehen, unbedingt das Herrenhaus bombardieren wollten, bevor sie dessen Ruine ohne Durchsuchungsbefehl betraten; dabei zerbrach er den Nachttopf. Aus klaffenden Wunden blutend, lag er mit den Fingern in den Ohren da und versuchte, sich die schrecklichen Detonationsgeräusche vom Leib zu halten. Lediglich Lockhart, Jessica und Mr. Dodd genossen die Ereignisse. Mit Wattepfropfen, speziell angefertigten Ohrschützern und geräuschdämpfenden Helmen ausgestattet, waren sie in einer wahrhaft glücklichen Lage.
Die Zollbeamten, die ohne solche Hilfsmittel auskommen mußten, konnten das nicht von sich behaupten. Das galt auch für die Flawseschen Jagdhunde. Das hochfrequente Pfeifen setzte ihnen zu, und sie kämpften sabbernd und mit Schaum vor dem Maul im Hof darum, aus dem Tor zu entkommen. Mr. Dodd ließ sie frei. Ihm war der Gedanke gekommen, sie könnten vielleicht noch nützlich sein, und deshalb hatte er ein Stück Schnur an den Riegel gebunden. An der zog er nun, und schon schwärmte die rasende Meute aus, um sich zu dem fliehenden Haufen aus wahnsinnigen Ochsen, durchgedrehten Schafen und hektischen Zollbeamten zu gesellen, die sich in einem entsetzlich panischen und zügellosen Rückzug auf den Damm zubewegten. Nur Mr. Mirkin hielt die Stellung, und zwar unfreiwillig. Um ein amoklaufendes Schaf abzuwehren, hatte Mr. Wieman ihm die Krücken entrissen; nicht, daß es ihm viel genützt hätte. Das Schaf hatte die Krücken zerbrochen, sie œ für ein normalerweise recht friedliches und wiederkäuendes Wesen eher ungewöhnlich œ in Stücke gebissen und sich anschließend auf die Reste gestürzt, um diese zu zerkauen. Mr. Wieman stürzte sich ebenfalls darauf, wobei er von einem FlawseœHund gebissen wurde. Etliche Zollbeamte erlitten ähnliche Schicksale, und die ganze Zeit über wurde der Artilleriebeschuß fortgesetzt, das Gewehrfeuer verstärkte sich, die hochfrequente Pfeife blies noch höhere Töne, und Mr. Mirkin machte, den schmerzenden Kopf umklammernd, einen törichten Schritt vorwärts, fiel und lag auf einem ganz besonders großen Lautsprecher, der extrem niederfrequent schwang. Noch ehe er wußte, wie ihm geschah, wurde aus Mr. Mirkin, dem Leitenden Steuerinspektor (Oberfinanzdirektion, Unterabteilung Steuerhinterziehung) in der Obersten Finanzbehörde, eine Art halbmenschliche Stimmgabel, deren eines Ende sich anfühlte, als sei es in eine mit voller Leistung laufende Düsenturbine eingesogen worden, während die auf dem niederfrequenten Lautsprecher liegende Körpermitte mit einem Mal ganz scheußlich wackelte, zitterte, federte und hüpfte. Mr. Mirkins eingegipste Beine vibrierten einfach unfreiwillig und mit einer Frequenz, die dem, was sich im Schritt zwischen ihnen befand, ganz gewiß nicht zuträglich war. Um ihn herum war die Hochebene wie leergefegt. Schafe, Ochsen, Hunde und Zöllner, allesamt taub für alles außer dem Schmerz in ihren Gehörgängen, hatten das Schlachtfeld verlassen und waren über den Staudamm geflohen oder, im Fall von zwei Zollbeamten, sogar in den Stausee gesprungen, wo sie versuchten, die Nasen über dem Wasser und gleichzeitig die Ohren darunter zu halten.
Als sie schließlich nicht mehr zu sehen waren, schaltete Lockhart die Verstärker ab, und das Bombardement hörte so plötzlich auf, wie es begonnen hatte. Nicht, daß es Mr. Mirkin oder die fliehenden Zollbeamten gemerkt oder gewürdigt hätten. Sie befanden sich ohnehin in einer geräuschlosen Welt, und als die Zöllner ihre an der Straße abgestellten Wagen erreichten und ihre zertrümmerten Gefühle in Worte fassen konnten,

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