Familientherapie ohne Familie
Praxis komme, möchte ich die theoretischen Grundannahmen stichwortartig in einigen Punkten zusammenstellen. 5
1. Beschwerden wurden im BFTC in erster Linie als Verhalten betrachtet und erst in zweiter Linie auf dem Boden der entsprechenden Motive, Gefühle und inneren Einstellungen.
2. Symptome werden in erster Linie durch das innere Bild geprägt, das sich ein Patient von der Welt macht.
3. Wenn Meinung »A« einmal als »richtig« angenommen wurde, führt dies meist dazu, dass alle anderen Möglichkeiten »nicht A« im selben Atemzug verworfen werden.
4. Das führt dazu, dass eine einmal gefundene Lösung wieder und wieder angewendet wird, selbst dann, wenn sie nicht zum gewünschten Erfolg führt, sondern im Gegenteil selbst zum Problem wird. Der Patient ist in der Entweder-oder-Annahme gefangen.
5. Kleine Änderungen führen zu großen (siehe Beispiel Schmetterling).
6. Wesentlich für den Wandel sind unter anderem die Vorstellungen, die der Patient von einem Zustand ohne die Beschwerden hat. Diese lapidare Aussage bezieht sich zum Beispiel auf die Tatsache, dass häufig der Therapeut und der Patient sehr unterschiedliche Auffassungen von einem Zustand nach dem Therapieende haben. Denn manchmal haben erfolgreiche Therapien auch sehr unangenehme Implikationen für den Patienten. Das zu sehen, kann schon zu Beginn einer Therapie äußerst nützlich sein.
In einer neurologischen Klinik lag beispielsweise ein 58-jähriger Mann mit sehr unklaren Rückenbeschwerden. Er hatte schon eine Fülle von Therapieverfahren ausprobiert und war seine Schmerzen bisher nicht losgeworden. Auffällig war das stille Leiden des Patienten. Er hatte das ganze Leben lang körperlich hart gearbeitet, war als Kind mit 16 Jahren noch als die letzte Reserve des Krieges missbraucht worden und hatte nun das Gefühl, »jetzt ist es genug«. Arzt und Patient besprachen die Konsequenzen einer möglichen erfolgreichen Behandlung. Nach einigem Zögern wurde folgendes Dilemma deutlich: Der Patient setzte seine ganze Hoffnung auf eine mögliche Frührente, die er ohne Krankheitsgrund
nicht erhalten konnte. Ein Behandlungserfolg bedrohte seine weitere Lebensplanung. Als dies deutlich war, konnten Arzt und Patient gemeinsam neue Therapieziele entwerfen, die mit der Epistemologie des Patienten nicht in Widerspruch standen.
7. Ein veränderter Rahmen führt zu neuem Verhalten. Voraussetzung ist lediglich, dass der Patient den vorgeschlagenen Rahmen akzeptiert.
8. Wie bereits erwähnt, wird in der Kurzpsychotherapie der Gedanke der Ganzheit betont. Jede Änderung eines Elements des Systems oder eine Änderung in den Beziehungen zwischen den Elementen des Systems beeinflusst andere Elemente und Beziehungen.
9. Es sind deshalb nur kleine Änderungen notwendig, da sie andere Änderungen nach sich ziehen. Der Hinweis kann für den Anfänger in Kurzpsychotherapie von besonderer Bedeutung sein. In dem Bestreben, »Kurz«-therapie zu betreiben, wird er geneigt sein, möglichst viel in eine Stunde hineinzupacken, seine Intervention so komplex wie möglich zu gestalten, um so viel Veränderung wie möglich in kurzer Zeit zu erreichen. Der Effekt kann leider ein gegenteiliger sein, da sich der Patient hoffnungslos überfordert fühlt und er nicht weiß, wo er anfangen soll. Kleine Schritte können deswegen die schnelleren sein.
10. »Die Aufgabe der Kurzpsychotherapie ist es, den Klienten zu helfen, etwas anders zu machen, ihr Interaktionsverhalten und/oder ihre Interpretation des Verhaltens und der Situation so zu verändern, dass sich eine Lösung entwickeln kann. Um Lösungen zu erarbeiten, zu ›konstruieren‹, kann es nützlich sein, so viel wie möglich über die Rahmenbedingungen der Problemsituation und die damit verbundenen Interaktionen herauszufinden. Denn eine Intervention – d.h. Änderung der Interaktion – muss so in den Rahmen der Situation ›passen‹, dass sich eine Lösung entwickeln kann.« 6
11. Das eigentliche Therapieprinzip ist einfach. Der Therapeut in der Kurzpsychotherapie konzentriert sich ausschließlich auf die Lösungen, die ein Patient bisher gefunden hat oder die er in der Zukunft vermutet. Dabei wird der Patient vom Therapeuten darauf hingewiesen, was er bereits Konstruktives geleistet hat, um eine Lösung zu finden, und er wird gewisse Hinweise geben, wie er eventuell weitere Lösungen finden kann. Die weitgehende Hinwendung zu den Lösungen als Therapieprinzip unter Vernachlässigung der problematischen Teile
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