Familientherapie ohne Familie
Symptomatik verbreitet, würde beim Therapeuten sonst leicht die gleiche Hoffnungslosigkeit aufkommen lassen. Analog dazu würde es dann zu entsprechend langen Therapien kommen, da ein schweres Problem eine langwierige Therapie notwendig erscheinen ließe.
Unabhängig davon, ob es überhaupt möglich ist, die Gefühle des Patienten nicht zu fühlen, erschien das verstehende Einfühlen für den Ansatz der Kurz therapie ungeeignet. Der Therapeut muss diese Klippe natürlich mit Fingerspitzengefühl umschiffen. Ein gewisses Maß von Wissen über die Geschichte und über das Problem ist wichtig und notwendig. Zum einen zur eigenen Orientierung, zum anderen, um in Kontakt mit dem Gegenüber zu kommen. Es würde sich wahrscheinlich wenig verstanden fühlen, wenn der Therapeut von dem Problem rundheraus nichts wissen wollte. Dafür ist das Wissen und Nachfragen über ein Symptom durchaus wertvoll. Vermieden werden sollte dagegen in diesem Ansatz das weit verbreitete »Hineinfragen« in die Pathologie. Es ist allgemein üblich, in einem Erstinterview so lange nicht zu ruhen, bis auch der letzte Winkel der Pathologie erkannt ist. Dafür werden Psychotherapeuten ausgebildet, darin kennt man sich aus. Das »Krankhafte« ist das Metier, wie sollte es auch anders sein?
Unberücksichtigt bleiben dabei die erwachsenen, reifen Anteile einer Persönlichkeit. Es sind vermutlich die weit überwiegenden Anteile der Person, die mit der Umgebung und den eigenen Gefühlen gut oder sehr gut zurechtkommen, doch werden sie aus der Wahrnehmung ausgeblendet.
Man mag einwenden, dies sei doch selbstverständlich. Schließlich kommt der Patient ja nicht wegen seiner reifen Anteile in die Behandlung, sondern der ungelösten Probleme wegen. Das ist natürlich richtig, aber die Konzentration auf die, pauschal gesagt, pathologischen Seiten führt zu einer unmerklichen Änderung der Wahrnehmung des Therapeuten, der am Ende oft die Krankheit mit dem Patienten gleichsetzt. Wie man mit den aktiven, reifen und lebendigen Teilen einer Persönlichkeit umzugehen hat, ist für viele Therapierichtungen eine Frage, die man sich kaum gestellt hat. Doch sind es letztlich diese Persönlichkeitseigenschaften, die benötigt werden, um sich aus dem sprichwörtlichen Sumpf selbst oder mithilfe eines anderen herauszuziehen.
Die Kurzpsychotherapie des BFTC suchte Wege, die Fähigkeiten
der Patienten, Probleme selbst zu überwinden, in der Therapie systematisch zu nützen. Das BFTC handelte in der Erkenntnis, dass die überwältigende Mehrheit der Probleme eines Menschen von ihm selbst ohne professionelle Hilfe gelöst werde.
Wieder zurück zur Praxis: Wenn ein Patient zur ersten Beratung kam, traf man in der ersten Sitzung aus diagnostischen Gründen die Unterscheidung, ob es sich hierbei um einen »Besucher«, einen Klienten oder einen »Kunden« handelte. Die Begriffe bedürfen der Erläuterung.
Unter »Besucher« (Visitor) wurde jemand verstanden, der geschickt wurde, ohne ein eigenes Anliegen zu haben. Solche Überweisungen erfolgen im Allgemeinen von Gerichten, Schulen oder auch von Ärzten, die einfach jemanden loswerden wollen, der ihnen durch beständiges Lamentieren auf die Nerven ging (die sogenannte »aggressive Überweisung«).
»Klienten« (Clients) hatten ein Anliegen und Beschwerden, sie wollten aber nicht unbedingt selbst aktiv etwas dagegen unternehmen.
Unter »Kunden« (Customer) schließlich verstand das BFTC jemanden, der sowohl ein Anliegen als auch den Wunsch hatte, etwas aktiv zur Linderung der Beschwerden zu tun. (Der Begriff »Kunde« scheint mir – zumindest im Deutschen – nicht sehr glücklich gewählt. Ich hoffe, es ist dennoch verständlich, was damit gemeint ist.)
Die Unterscheidung wurde getroffen, da je nach Einteilung ein unterschiedlicher Auftrag gegeben wurde und unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten daraus folgten.
Im Vorgriff auf die später zu besprechenden Interventionen, den therapeutischen Eingriffen per se, sei hier nur so viel erwähnt:
Ein »Besucher« gibt keinen Auftrag, etwas zu verändern. Man wird daher auch keine speziellen Anforderungen an ihn stellen können. Möglicherweise wird man sich auf die bisher erreichten Veränderungen konzentrieren und sie anerkennend hervorheben.
Ein »Klient« gibt durchaus einen Auftrag, und man wird ihm zum Beispiel bestimmte Aufgaben wie Verhaltensbeobachtungen zutrauen können.
Ein »Kunde« schließlich ist auch bereit, gewisse Verhaltens aufgaben
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