Fang schon mal ohne mich an - Phillips, C: Fang schon mal ohne mich an
versucht, das Vertrauen ihrer Halbschwestern zu gewinnen und ihrer Großmutter näherzukommen, die die Geschicke der Familie lenkte, seit die Frau von Mollys Vater vor neun Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Doch jetzt fühlte sie sich dafür verantwortlich, diese Familie zusammenzuhalten, indem sie Daniel Hunter engagierte.
Sie holte tief Luft und ging nach unten.
Als sie schon beinahe an der Tür war, hörte sie, wie ihre Halbschwester Jessie sagte: „Mein Vater ist wegen Mordverdacht festgenommen worden. Das wird mein gesellschaftliches Leben sicher ganz weit nach vorne bringen.“
Molly rollte mit den Augen. Jessie war fünfzehn Jahre alt. Ein Teenie, wie man so schön sagte. Mitten in der Pubertät. Und so benahm sie sich auch. Auf kleinste Veränderungen in ihrem Universum reagierte sie mit Panik und dramatischen Szenen.
In ihrem Alter, mit fünfzehn, hatte Molly schon längst für sich selbst gesorgt und keine Zeit für solche Kinkerlitzchen gehabt. Molly war, solange sie sich erinnern konnte, immer schon erwachsen gewesen. Deshalb fiel es ihr jetzt auch so schwer, sich in Jessies Lage zu versetzen. Und weil Jessie ebenfalls nichts mit Molly anfangen konnte, befanden sie sich in einer Art Pattsituation.
„Manchmal bist du eine echt blöde Ziege.“ Diese verdiente verbale Ohrfeige kam von Robin, der Älteren von Mollys Halbschwestern. Die zwanzigjährige Robin war, genau wie Molly, viel zu schnell erwachsen geworden. Ihre Mutter starb, als Mollys Mutter durch ständige Abwesenheit glänzte. Molly mochte Robin nicht nur deshalb, weil sie sie anstandslos akzeptiert hatte, sondern weil ihre Halbschwester eine durch und durch gute Seele war, und weil es in Mollys Welt viel zu wenig Menschen wie sie gab.
Eigentlich hatte Molly vorgehabt, sich ohne Abschied auf den Weg nach Albany zu machen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie ihrer Familie wohl besser sagen sollte, dass sie für den Rest des Tages oder womöglich sogar über Nacht wegblieb. Obwohl sie sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt hatte, mit anderen Menschen unter einem Dach zu leben, die Notiz davon nahmen, ob sie kam oder ging, versuchte sie sich an gewisse Regeln zu halten.
Deshalb lenkte sie ihre Schritte in das Arbeitszimmer ihres Vaters, wo sich die Familie offensichtlich versammelt hatte.
„Sei doch still!“, sagte Jessie, die ständig das letzte Wort haben musste, zu ihrer Schwester. „Du hast mir gar nichts zu sagen.“
„Aber ich!“
Molly grinste, als sie Edna Addams’ energischen Kommandoton vernahm. Dieser Tonfall erklärte auch, weshalb die ältere Frau häufiger mit „Kommandeur“ statt mit Großmutter angesprochen wurde. Sie war die Mutter des Generals und somit auch Mollys Großmutter. Als Edna, um sich Gehör zu verschaffen, zweimal mit ihrem Stock auf den Fußboden klopfte, schlüpfte Molly gerade durch den Türrahmen.
Edna stand in der Mitte des Raumes und fixierte ihre jüngste Enkeltochter mit Blicken. „Ich würde vorschlagen, du sorgst dich statt um dein eigenes Schicksal lieber um das deines Vaters.“
„Ich hab’s ja nicht so gemeint.“ Jessies Augen füllten sich mit Tränen.
Edna ging auf ihre Enkelin zu, nahm sie in den Arm und strich ihr über das lange, braune Haar. „Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast, aber wie ich schon häufiger sagte, brauchst du dringend ein Stoppschild zwischen deinem Mund und deinem Gehirn, dann kannst du dir in Zukunft Zeit zum Denken lassen, bevor du sprichst.“
Molly nickte, während sie ihrer Großmutter im Stillen applaudierte. „Wir sollten uns lieber auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren. Das würde Vater mehr helfen!“, sagte sie, als sie den Raum betrat.
Jessie wirbelte herum. Ihr Haar, das sie morgens stundenlang geföhnt hatte, während sie das Bad blockierte, flog ihr über die Schulter. „ Vater?“, fragte sie. Ihre Tränen waren blitzschnell getrocknet und ihre Trauer durch eine Wut ersetzt worden, die sich wie üblich gegen Molly richtete. „Das ist ja lustig, wo du ihn doch bis vor Kurzem noch gar nicht kanntest. Er ist unser Vater …“ Mit ausladenden Gesten deutete sie auf Robin und sich. „… und nicht deiner!“
„Jessie!“, brüllten Edna und Robin auf einmal gleichermaßen erschrocken.
Mollys Herz zog sich in ihrer Brust zusammen, und sie spürte beinahe sofort den Anflug einer Migräne, gegen die sie schon seit ihrer Kindheit ankämpfte.
Statt inzwischen an Jessies Ausbrüche gewöhnt zu sein, traf
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