Fangjagd
erklärt, von der Klinik aus sei kein derartiges Gespräch geführt worden – und Jesse Kennedy schlafe friedlich. Wir wissen noch immer nicht, wer versucht hat, sie aus dem Hotel zu locken. Da ich selbst auf dem Weg zur Klinik war, habe ich sie mitgenommen. Ich hab’s für richtig gehalten, ein bisschen auf sie acht zugeben.“
„Weshalb sind Sie ausgerechnet heute Nacht zur Klinik Bern gefahren?“
„Ich habe dort einen Informanten“, antwortete Beck geheimnisvoll.
„Wer ist das?“
„Geben Sie als Journalist immer Ihre Quellen preis?“
erkundigte Beck sich spöttisch. „Wir sind am Haupttor vorbei zum zweiten Tor gefahren…“
„Das zufällig offen war?“ fragte Newman ungläubig.
„Ich selbst habe es geöffnet. Im Kofferraum liegt ein Bolzenschneider, mit dem ich die Kette am Tor aufgeschnitten habe. Das war natürlich nicht ganz legal, aber wir haben gesehen, wie diese arme Frau auf das Tor zugelaufen ist.
Danach habe ich das Tor mit einem neuen Schloß, das ich vorsichtshalber mitgebracht hatte, wieder versperrt.“
„Sie scheinen wirklich an alles gedacht zu haben“, meinte Newman anerkennend.
„Ich kenne die Akte Hannah Stuart in- und auswendig. Wie Sie wissen, gibt es in dieser Angelegenheit einen Zeugen, dessen Aussage ich nicht verwenden darf. Nach meinem Besuch in der Klinik bin ich zu dem Labor am nächsten gelegenen Tor gefahren und habe mir angesehen, wie es gesichert war. Ich habe auf eine zweite Gelegenheit gehofft – ohne jedoch vorauszusehen, daß sie sich unter so tragischen Umständen ergeben würde“.
„Was haben Sie jetzt vor?“
„Bevor wir weiterreden, muß ich Sie nochmals darauf aufmerksam machen, daß alles, was wir hier besprechen, streng vertraulich ist. Ich vollführe einen Drahtseilakt, aber das wissen Sie ohnehin. Wir bringen die Tote jetzt ins Leichenhaus. Ich habe Dr. Kleist schon benachrichtigen lassen, daß sie wieder ihre Nachtruhe opfern muß. Aber ich möchte, daß sie Dr. Kennedys Diagnose hört. Sie sollten ihr übrigens danken, daß sie mitgekommen ist, anstatt ihr Vorwürfe zu machen!“
„Sie sind ihr für ihre Hilfe dankbar?“
„Allerdings!“ Beck machte es sich am Lenkrad bequemer. Sie hatten die Ausfahrt Bern-Belp passiert und würden bald am Ziel sein. Er warf einen Blick in den Rückspiegel, bevor er fort fuhr. „Aufgrund der Tatsache, daß Dr. Kennedy Zyanose und Erstickungstod diagnostiziert hat, gab es für Lachenal überhaupt keine Möglichkeit, sich uns gegenüber durchzusetzen. Das war potentieller Mord und fällt damit in meinen Zuständigkeitsbereich …“
„Es gibt doch irgendeine Abgrenzung der Kompetenzen von Bundespolizei und Nachrichtendienst?“
„Ja, aber diese Grenzen sind fließend. Offiziell arbeiten wir stets zusammen. Für Fragen der Staatssicherheit sind wir beide zuständig. Das ist ein sehr dehnbarer Begriff. Hätte Lachenal überzeugend darlegen können, daß dies ein Fall für die Spionageabwehr sei, hätten wir die Leiche ihm überlassen müssen. Sobald auch nur der geringste Verdacht bestand, hier könnte es sich um Mord handeln, hatte ich sie!“
„Was Nancy betrifft, sollte ich Ihnen wohl wirklich dankbar sein…“
„Allerdings!“
Newman drehte sich um, um mit Nancy zu sprechen. Hinter dem Krankenwagen, der reichlich Abstand hielt, um Beck nicht zu blenden, konnte Newman auf der jetzt beleuchteten Autobahn einen roten Porsche erkennen. Er fragte sich, ob Beck ihn ebenfalls bemerkt hatte.
„Ich hasse diesen Karbolmief“, sagte Newman unvorsichtiger weise, als sie an einem Tisch saßen und Kaffee tranken. „Und auf leeren Magen ist er noch unangenehmer…“
„Jetzt fängst du schon wieder davon an!“ warf Nancy ihm erregt vor. „Dir ist einfach alles zuwider, was auch nur entfernt mit Medizin zu tun hat vielleicht auch Ärztinnen?“ fragte sie aufgebracht.
„Wir sind alle müde“, stellte Beck fest. Er tätschelte beschwichtigend Nancys Hand. „Und wir haben alle einen höchst aufregenden Abend hinter uns.“ Er sah zu Newman hinüber. „Am besten nehmen Sie ihn nicht mit, wenn Sie Krankenbesuche machen“, schlug er lächelnd vor.
Sie saßen im Vorraum des Leichenhauses, in dem sie nun bereits unendlich lange warteten – das war zumindest Newmans Eindruck. Wie üblich roch es hier nach starken Desinfektionsmitteln. Die weißgestrichenen Wände waren kahl, und die Einrichtung beschränkte sich auf das absolute Minimum. Das einzige Fenster hatte Milchglasscheiben, so daß man
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