Fangjagd
wenige Winkelgrade gesenkt zu werden, um die Insassen des Wagens genau in diese bedrohliche Mündung starren zu lassen.
Nancy sah zu Leupin hinüber. Auf dem Gesicht des hageren Kriminalbeamten standen Schweißperlen. Er schien von der unaufhaltsamen Bewegung des gewaltigen Kanonenrohrs wie hypnotisiert zu sein. Ohne den Blick von der Panzerkanone zu wenden, legte er Nancy die linke Hand auf den Arm, um sie dadurch vielleicht etwas zu beruhigen.
„Festhalten!“ rief Beck plötzlich.
Er nahm den Fuß von der Bremse und trat das Gaspedal durch.
Der Audi schoß auf der vereisten Straße vorwärts, schleuderte, fing sich wieder, als Beck blitzschnell gegenlenkte, und raste mit aufheulendem Motor auf den Panzer zu, der ins Riesenhafte anwuchs und die gesamte Windschutzscheibe ausfüllte. Die Kanonenmündung war nun fast direkt auf sie gerichtet. Newman stellte sich den entsetzlichen Augenblick vor, in dem die Sprenggranate ihren Wagen treffen würde. Wie lange würde es dauern, bis Sekundenbruchteile nach dem Abfeuern der Panzerkanone ein Hammerschlag den Audi in ein flammendes Inferno verwandeln und seine Insassen zerfetzen würde?
Beck, dessen Gesicht vor Anstrengung zu einer Grimasse erstarrt war, bremste scharf, riß das Lenkrad herum und ließ den Wagen in den toten Winkel unter der Panzerkanone rutschen. Obwohl seine Mitfahrer sich festhielten, wurden sie durch diese plötzliche Drehung nach vorne geschleudert. Beck hatte den Streifenwagen dicht vor den mächtigen Gleisketten des Panzers zum Stehen gebracht. Dort waren sie für die Kanone unerreichbar. Sofort griff Beck wieder nach dem Handfunkgerät.
„Lachenal! Hören Sie mich…? Gut! Was soll dieser Scheiß, verdammt noch mal? Hier wird die Straße von einem Panzer versperrt, der seine Kanone auf uns gerichtet hat. Ich stehe über Funk mit Bern in Verbindung und habe die Sache mit der Straßensperre bereits weitergemeldet. Sorgen Sie dafür, daß dieser fahrbare Schrotthaufen die Straße räumt! Er soll uns Platz machen … Haben Sie verstanden?“
„Ich habe versucht, Sie zu erreichen…“ Die Nervosität in Lachenals Stimme war auch durch das Funkgerät deutlich zu hören. „Aber Sie haben nicht auf meinen Anruf reagiert. Die Sache ist halb so schlimm. Kobler wartet in meinem Wagen auf Sie. Er möchte Sie sprechen. Der Panzer sollte Sie lediglich daran hindern, daß Sie nach Bern weiterfahren. Kobler hat mich am Haupttor der Klinik angehalten…“
„Kobler soll der Teufel holen!“ antwortete Beck scharf. Er lenkte mit der freien Hand und setzte den Audi etwas zurück.“
Ich fordere Sie jetzt zum letztenmal auf, den Panzer von der Straße zu schaffen! Diese Sache wird noch ein Nachspiel haben, darauf können Sie sich verlassen!“
„Der Befehl ist bereits erteilt“, meldete Lachenal prompt. „Sie müssen verstehen, daß hier im Augenblick Übungen stattfinden, die…“
„Koblers militärische Privatübungen?“
Das brachte Lachenal zum Schweigen. Sie beobachteten mit angehaltenem Atem, wie der Leopard 2 sich langsam in Bewegung setzte, mit rasselnden Ketten fast auf der Stelle wendete und in einen Feldweg bog, um die Straße frei zu machen. Beck sah in den Rückspiegel und gab dem Fahrer des Krankenwagens ein Handzeichen, um anzudeuten, daß alles vorüber sei. Sobald die Straße vor ihm frei war, gab er Gas, fuhr links an dem Panzer vorbei und folgte der zur Autobahn führenden Nebenstraße.
22
„Ich glaube, daß ich Ihnen eine Erklärung für Dr. Kennedys Anwesenheit schuldig bin, Bob“, sagte Beck auf der Autobahn.
„Einer meiner Leute übrigens Leupin, der hinter Ihnen sitzt-hat das Hotel Bellevue Palace überwacht und gesehen, wie sie herauskam. Er hat sie gebeten, einen Augenblick zu warten, und mich gerufen. Von meinem Büro bis zum Hotel braucht man nur zwei Minuten mit Blaulicht und Sirene, versteht sich“, fügte er mit einem schwachen Lächeln hinzu.
„Ich hatte dich doch ausdrücklich gebeten, das Hotel unter keinen Umständen zu verlassen, Nancy!“ begann Newman ungehalten.
„Warum…“
„Bitte!“ unterbrach Beck ihn. „Lassen Sie mich erst ausreden.
Sie haben selbst gesehen, wie wertvoll ihre Anwesenheit vorhin gewesen ist. Dr. Kennedy hatte einen dringenden Anruf aus der Klinik Bern erhalten, in dem ihr mitgeteilt wurde, daß sich der Gesundheitszustand ihres Großvaters erheblich verschlechtert habe. Ich habe sie dazu überredet, mit mir ins Hotel zurückzugehen, um Dr. Kobler anzurufen. Er hat mir
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