Fangjagd
aufgefallen, das ich mir nicht recht erklären kann“, fuhr Dr. Kleist fort. „Es handelt sich um seltsame Hautabschürfungen an Hals und Schädeldecke der Toten.“
„Würgmale?“ fragte Beck sofort.
„Nein, viel schwächer. Man könnte eher glauben, Hals und Kopf seien von straffsitzenden Webbändern umschlossen gewesen…“ Die Ärztin zeichnete noch immer auf ihrem Notizblock. „Als ob sie – so bizarr das klingen mag – kurz vor ihrem Tod eine enganliegende Kopfbedeckung getragen hätte…“
„Eine Art Maske?“ schlug Beck vor.
„Möglicherweise“, stimmte sie zu, aber das klang nicht sonderlich überzeugt. „Sicher lässt sich vorerst nur sagen, das ein Erstickungstod vorliegt.“
„Eine Sauerstoffmaske?“ erkundigte Beck sich. „Das wäre ein Gerät, das zur Ausstattung einer Klinik passen würde. Könnte jemand die Sauerstoffzufuhr abgedreht und dadurch ihren Erstickungstod herbeigeführt haben?“
Die Ärztin schüttelte den Kopf. „Nein. Du hast doch selbst gesehen, das sie ziemlich weit gerannt ist, bevor sie zusammengebrochen ist. Wir müssen den
Wirkstoff,
der ihren Tod verursacht hat, isolieren und identifizieren. Dazu brauchen wir das Ergebnis der Blutuntersuchung.“ Sie runzelte die Stirn.
„Die Hautabschürfungen kommen mir so eigenartig vor. Aber in diesem frühen Stadium läßt sich noch nichts Bestimmtes sagen. Auch meine Untersuchungen sind keineswegs abgeschlossen.“
„Sie haben uns vorhin gesagt, die Tote sei eine Mrs. Holly Laird aus Houston“, warf Newman ein. „Haben Sie von Kobler weitere Angaben zu ihrer Person bekommen? Wie alt ist sie übrigens gewesen?“
„Fünfundfünfzig. Ja, ich habe Kobler um nähere Angaben gebeten. Er wollte nicht recht mit der Sprache heraus, aber andererseits wollte er wohl nicht den Eindruck erwecken, er sei nicht kooperationsbereit. Mrs. Laird hat nominell an der Spitze eines ganzen Ölimperiums gestanden. Sie ist von ihrer Stieftochter mit einem firmeneigenen Jet in die Schweiz gebracht worden…“
„Wissen Sie etwas über ihren Mann?“ fragte Newman rasch.
„Er ist seit Jahren tot. Mehr war aus Kobler nicht rauszukriegen.“ Sie sah zu Beck hinüber. „Ich habe behauptet, meine Fragen in deinem Auftrag zu stellen, sonst hätte ich nicht einmal diese wenigen Informationen bekommen …“
„Schon wieder einer dieser Fälle“, meinte Newman nachdenklich.
„Was soll das heißen?“ erkundigte sich Beck.
„Das erzähle ich Ihnen später.“ Newman stand auf. „Wir haben Sie schon viel zu lange aufgehalten“, sagte er mit einem um Entschuldigung bittenden Lächeln zu Dr. Kleist. „Ich bin Ihnen für Ihre Auskünfte in diesem frühen Stadium sehr dankbar.“
„Bitte, gern geschehen.“ Die Ärztin zögerte, während sie zu Newman aufblickte. „Vielleicht kann ich Ihnen morgen früh mehr sagen…“
„Sie arbeiten die Nacht durch?“ fragte der Engländer mit ungläubigem Unterton in der Stimme.
„Dieser Mann…“ Dr. Kleist stand ebenfalls auf und hakte Beck unter. „Dieser Mann hier ist der gefühlloseste Sklaventreiber der Schweiz. Ist dir das eigentlich klar, Arthur?“ fügte sie lächelnd hinzu.
Beck zuckte grinsend mit den Schultern. „Du würdest ohnehin weiterarbeiten, aber ich weiß dein Pflichtbewusstsein zu schätzen. Und ich habe denselben Verdacht wie Newman: Jede Minute kann kostbar sein.“
„Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre Zeichnung mitnehme?“ fragte Newman die Ärztin, als sie sich zum Gehen wandten. „Ich sammle Strichmännchen und ähnliche Zeichnungen, die Leute nebenbei, ohne nachzudenken, zu Papier bringen…“
„Bitte sehr!“
Dr. Kleist riß das Blatt ab, faltete es zusammen und gab es Newman. Sie beobachtete mit eigenartigem Lächeln, wie er es sorgfältig in seine Brieftasche steckte.
Beck war auffällig schweigsam, als er sie mit seinem Dienstwagen ins Bellevue Palace zurückfuhr. Nancy hatte den Eindruck, nach den Ereignissen dieser Nacht sei jedermann erschöpft. Sie wartete, bis sie in ihrem Zimmer waren, bevor sie die Frage stellte, die ihr schon lange auf der Zunge lag.
„Was ist auf dem Blatt zu sehen, das du dir hast geben lassen?“
„Beweisstück A. Bei gedankenlosen Kritzeleien geben clevere Leute manchmal preis, was in ihrem Unterbewusstsein vor sich geht. Mach dich auf einen Schock gefaßt! Die Kleist ist sehr clever. Hier…“
„Großer Gott!“
Nancy sank aufs Bett, während sie die Zeichnung, die die Schweizer Pathologin während
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