Fangjagd
Deshalb fiel ihm nicht auf, daß eine mit einem Sturzhelm bekleidete Person ein in der Seitenstraße neben dem Hotel abgestelltes Motorrad bestieg.
Die Geländemaschine folgte Foley noch immer mit weitem Abstand, als dieser vor sich den Citroen erkannte.
Der Amerikaner behielt seine Geschwindigkeit bei und schloss zu dem anderen Wagen auf, bis er die beiden Insassen deutlich erkennen konnte. Newman fuhr, und seine Begleiterin saß neben ihm. Foley atmete erleichtert auf und gab weniger Gas, so daß der Abstand zwischen den beiden Autos sich wieder vergrößerte. Auch das Motorrad weit hinter ihm wurde prompt langsamer.
Foley fuhr unter einem großen Richtungsanzeiger hindurch, dem in regelmäßigen Abständen noch einige weitere folgten. Auf der Tafel stand in Großbuchstaben THUN NORD.
Als es im Wagen warm wurde, hatte Nancy ihre Handschuhe ausgezogen und spielte nervös mit ihnen herum. Die Autobahn war völlig frei von Schnee und Eis und ungehindert befahrbar. Aber als sie Bern hinter sich ließen und an der Abzweigung nach Belp vorbei fuhren, bedeckte eine geschlossene Schneedecke die Felder rechts und links der Autobahn. Hier und dort reckte ein kleiner Baum kahle, knorrige Äste in den schiefergrauen Himmel. Die ganze Atmosphäre war bedrückend, wenig anheimelnd. Newman warf einen Blick auf Nancys ruhelose Hand.
„Nervös? So dicht vor dem Ziel?“
„Ja, ich bin nervös, Bob. Ich muß ständig an Jesse denken und bin keineswegs davon überzeugt, daß sie uns zu ihm lassen, wenn wir einfach so reinplatzen…“
„Laß mich nur machen, wenn wir erst dort sind! Du bist seine Enkelin, eine nahe Verwandte. Ich bin ein nicht ganz unbekannter Journalist. Das ist eine tödliche Kombination für eine Privatklinik, die auf ihren guten Ruf bedacht sein muss. Immerhin schadet nichts mehr als schlechte Publicity…“
„Was hast du vor, Bob?“ erkundigte Nancy sich hörbar besorgt.
„Ich bin fest entschlossen, mir Zutritt zu dieser Klinik zu verschaffen. Dir möchte ich raten, eine deiner seltenen Zigaretten zu rauchen und nicht mehr dauernd mit dem Handschuh zu spielen. Hier ist die Packung. Zündest du mir auch eine an?“
Sie fuhren unter einer weiteren Hinweistafel durch, auf der THUN SÜD und THUN NORD angezeigt waren.
Newman setzte den Blinker, ordnete sich vor einem riesigen Sattelschlepper ein und fuhr die Ausfahrt Thun Nord hinauf. Nancy zündete die zweite Zigarette für sich selbst an und nahm einen tiefen Zug. Sie überquerten jetzt die Autobahn, und Nancy sah aus dieser größeren Höhe sekundenlang die Berner Alpen, deren Gipfel jedoch so rasch wieder im Dunst verschwanden, daß sie nicht wusste, ob sie sie wirklich gesehen oder sich nur eingebildet hatte.
Die Straße führte zwischen Feldern leicht, aber stetig bergauf. Hier und dort stand ein einzelner Bauernhof, in dessen spitzgiebliger Scheune sich große Strohballen stapelten. Der unfreundlich graue Himmel verstärkte den fast bedrohlich trostlosen Eindruck. Drüben im Osten stand auf einem Hügel ein großes Schloß mit von Spitzhauben gekrönten Türmen.
„Das berühmte Schloß Zähringen-Kyburg“, erklärte Newman.
„Die Stadt Thun liegt darunter und ist von hier aus nicht zu sehen…“
„Weißt du denn, wie wir fahren müssen?“
„Wie der hilfsbereite Portier im Bellevue Palace mir erklärt hat, müssen wir irgendwo dort oben von dieser Straße abbiegen. Du kannst auf der Karte im Handschuhfach nachsehen. Er hat die Route eingezeichnet.“
„Ich find’s hier richtig unheimlich, Bob!“
„Das liegt nur an dem grauen Nachmittag.“
Aber Newman musste sich eingestehen, daß Nancy mit ihrer Beobachtung nicht ganz unrecht hatte. Sie hatten die Schneegrenze beinahe erreicht. Die Februarsonne hatte den Schnee auf den nach Süden geneigten tieferliegenden Feldern zum Schmelzen gebracht. Unterhalb dieser Grenze – in Richtung Thun – waren ein paar Häuser zu sehen. Auf dem Hügelrücken drängten sich die Fichten eines dunklen Wäldchens wie eine marschbereite Armee zusammen.
Newman fuhr langsamer, als sie die Schneegrenze erreichten, und bremste, als er ein Schild mit der Aufschrift
Clinique Berne
sah. Er bog von der Straße in die schmale Zufahrt ab, korrigierte ein auf der schlecht geräumten Fahrbahn auftretendes leichtes Schleudern durch Gegenlenken und fuhr vorsichtig weiter.
„Ist das die Zufahrt?“ erkundigte Nancy sich.
„Eigentlich müsste sie’s sein…“
Auf einer weiten Hochebene, auf der erst zwei
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