Fangjagd
beiden Seiten; auf ihrem vor Sauberkeit blitzenden weißgefliesten Boden standen in Abständen von einigen Metern einzelne Blumenkübel. Die innere Tür führte in eine geräumige Eingangshalle, deren Boden ebenfalls weiß gefliest war. Newman rümpfte die Nase, weil es überall nach Desinfektionsmitteln roch. Nancy presste die Lippen zusammen, als sie seine Reaktion wahrnahm.
Im Hintergrund der Eingangshalle befand sich eine dunkle Holztheke, die an die Rezeption eines Hotels erinnerte, dahinter thronte in einem Drehsessel eine große, unmäßig dicke Mittfünfzigerin mit schwarzgefärbtem Haar und wieselflinken dunklen Augen. Sie legte den Stift weg, mit dem sie ein Formular ausgefüllt hatte, faltete ihre Hände und starrte die Besucher an.
„Sie wissen, wer wir sind“, sagte Newman auf Deutsch. „Ich möchte den Klinikdirektor sprechen…“
„Füllen Sie bitte die Anmeldung aus“, antwortete die Dicke mit ausdrucksloser Stimme auf Englisch. Sie schob Newman einen Block mit Formularen zu.
„Das tun wir vielleicht, nachdem wir mit Ihrem Chef gesprochen haben. Wir sind hier, um Jesse Kennedy zu besuchen. Das wissen Sie natürlich schon von Ihrem Pförtner.
Ich…“
„Bedaure sehr, aber das dürfte ohne vorherige Terminvereinbarung nicht möglich sein…“ Der Mann, der aus einer Seitentür getreten war, sprach ruhig, aber energisch – und in ausgezeichnetem Englisch. Sein Tonfall brachte Newman dazu, sich sofort nach ihm um zudrehen. Er hatte den Eindruck von Autorität, überlegenem Selbstbewusstsein und unbändiger Energie.
„Wir müssen auf den Patienten Rücksicht nehmen“, fuhr die Stimme fort. „Außerdem muss ich Ihnen mitteilen, daß Mr. Kennedy im Augenblick unter der Wirkung eines Sedativs steht.“
Newman sah sich einem Mann gegenüber, der etwa so groß war wie er, aber kräftiger gebaut. Ein Mann Anfang Vierzig mit silbernen Strähnen im braunen Haar. Der Blick, mit dem er Newman prüfend betrachtete, ließ Willenskraft und Charakterstärke erkennen. Mit diesem Blick schien er den Besucher als potentiellen Gegner abzuschätzen. Ein sehr selbst beherrschter Typ.
„Ich bin Dr. Bruno Kobler“, fügte der Mann hinzu.
„Und ich bin
Dr.
Nancy Kennedy“, warf Nancy ein.
„Daß mein Großvater ein Beruhigungsmittel erhalten hat, spielt keine Rolle. Ich möchte ihn trotzdem sofort sehen!“
„Ohne die Anwesenheit eines Arztes wäre das höchst ungewöhnlich und…“
„Sie sind doch Arzt!“ knurrte Newman. „Das haben Sie vorhin selbst gesagt!“
„Ich bin der Geschäftsführer. Ich bin kein Mediziner.“
„Soll das heißen“, hakte Newman nach, „daß sich in diesem Augenblick kein Arzt im Haus befindet? Ist das Ihre Art, diese Klinik zu leiten?“
„Das habe ich nicht gesagt!“ antwortete Kobler etwas schärfer. „Ich habe lediglich festgestellt, daß keiner verfügbar ist, der Sie begleiten könnte.“
„Dann fahren wir jetzt sofort zur amerikanischen Botschaft in Bern“, entschied Newman. „Dr. Kennedy ist amerikanische Staatsbürgerin. Auch Jesse Kennedy ist Amerikaner. Sie können Gift darauf nehmen, daß wir dort Krach schlagen!“
„Wozu die Aufregung, Mr. Newman? Da Ihre Begleiterin selbst Ärztin ist, können wir in diesem Fall eine Ausnahme machen. Vielleicht können wir Dr. Novak hinzuziehen – er ist der für Jesse Kennedy zuständige Arzt.“
Kobler drehte sich nach der Dicken um und schnalzte mit den Fingern, als wolle er einen Ober heran zitieren.
„Versuchen Sie, Dr. Novak zu finden, Astrid. Bitten Sie ihn, sofort herzu kommen.“
„Wie geht’s meinem Großvater?“ erkundigte Nancy sich.
Kobler drehte sich um, zuckte mit den Schultern und sah ihr direkt in die Augen. Er lächelte beschwichtigend, ohne jedoch sofort zu antworten. Sie hatte den Eindruck, er versuche ihre Gedanken zu lesen, und schwieg, weil sie spürte, daß er hoffte, sie werde noch mehr sagen.
„Leider kann ich Ihre Frage nicht beantworten, Dr. Kennedy. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich kein Mediziner, sondern für die Verwaltung der Klinik zuständig. Deshalb wäre es mir lieber, wenn Sie Dr. Novak fragen würden. Er wird Ihnen bestimmt sympathisch sein – schließlich ist er ein Landsmann von Ihnen.“
„Dr. Novak ist Amerikaner?“
„Allerdings! Ein sehr begabter Kollege, deshalb ist ihm diese Position angeboten worden. Wie Sie sicherlich wissen, besitzt unsere Klinik weltweit einen ausgezeichneten Ruf…“
„Ich möchte auch Professor Armand Grange
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