Fantastik AG

Entschuldigung«, sagte er. »Ich glaub, wir sollen gleich
zusammen auftreten. Könnt ihr mir sagen, wo ich eine Schrumpfkopfkette
herkriege?«
    Die Trolle sahen einander an.
    Â»Den Gang runter, dann die dritte Tür links«, sagte einer. »Frag
nach Gilana.«
    Â»Danke.«
    Der Student schloss die Tür.
    Die Trolle schwiegen.
    Â»Meine Güte«, sagte schließlich einer, »wer hat denn den engagiert?«
    Es war ein märchenhaftes Vergnügen für die ganze Familie,
das jedenfalls behauptete die Werbebroschüre. Vor allem war es aber eines, fand
der Student: historisch fragwürdig.
    In der Historie der Fernen Länder – und die in rasantem
Tempo nachzuerzählen war das ausdrückliche Anliegen des Musicals – hatte
es keine in augenschmelzend quietschbunten Glitzerkostümen pirouettierenden
Schlittschuhgnome gegeben, die zu allem Überfluss auch noch Sachen sangen wie:
Hach, wie schön ist es, ein Gnom zu sein!
    Nach dem aktuellen Stand phantastischer Geschichtsforschung deutete
auch nichts auf das Stattfinden eines historischen Rap-Battles zwischen
eissteppenden Gangstazwergen und breakdancenden Höhlenschildkrötenmenschen hin,
bei dem nach Theodors Ansicht beide Seiten sowohl an Coolness als auch an
Credibility einbüßten, was ihnen auf diesen Gebieten jemals zu Eigen gewesen
sein mochte.
    Doch dem Publikum, das aus der
Wirklichkeit angereist war, schien es zu gefallen. Jede Szene wurde mit großem
Applaus gewürdigt, jede humoristische Einlage erntete Lachsalven.
    Theodor, der die Vorstellung auf dem Eis von einem Seiteneingang aus
verfolgte, klapperte prüfend mit den Kufen seiner Schlittschuhe auf dem Boden.
    Es war nicht so, dass er noch nie auf Schlittschuhen gestanden
hatte.
    Stattdessen war es so, dass er genau ein Mal auf
Schlittschuhen gestanden hatte, an einem trüben kalten Wintertag, an den er
nicht gern zurückdachte. Wenn er es doch tat, erinnerte er sich vor allem an
Gleichgewichtsprobleme und blaue Flecken.
    Aber die Gelegenheit war zu günstig, um sie nicht wahrzunehmen.
    Nach dem, was ihm die anderen Trolle erzählt hatten, spielten sie
eine Gruppe von Trollbarbaren aus dem hohen Norden, die mit ihrem Anführer Urk,
dem Ungehobelten, aufbrechen, um Königin Hymnia aus ihrem Schloss zu entführen.
    Es war, als hätten die Musicaldramaturgen die Szene nur für diese
Gelegenheit geschrieben, um ihm, Theodor Welk, die Möglichkeit zu geben, die
Welt zu retten.
    Trotzdem fühlte sich der Student alles andere als wohl bei der
Sache, vor allem, weil alles doch ein wenig zu gut passte,
was immer höchst verdächtig ist.
    Vielleicht sollte er doch noch verschwinden, bevor …
    Â»Okay, Leute, wir haben ein Problem.«
    Es war der Zwerg, mit dem er hergekommen war.
    Â»Grugo weigert sich, seine Kabine
zu verlassen. Gilana ist jetzt bei ihm und versucht, ihn zu überreden,
aufzutreten, aber er sagt, er sei ein abscheulich hässlicher übergewichtiger
Troll und werde sich auf immerdar vor der Welt verbergen. Außerdem kommen
unkontrollierte Essgeräusche aus der Kabine. Das heißt: Unser Urk fällt aus.
Und das bedeutet: Einer von euch muss die Rolle übernehmen. Was ist mit
dir?«
    Der Regiezwerg deutete mit dem Zeigefinger.
    Â»Meinst du, du kriegst das hin?«
    Â»Ã„h?«, machte Theodor. »Ich?«
    Â»Super«, sagte der Zwerg. »Dann ist das ja geklärt.« Er
klatschte in die Hände. »Also: drei Minuten.«
    Damit ließ er den Studenten stehen, zusammen mit den anderen
Trollen, deren Blicke ihn unmissverständlich darüber aufklärten, dass, wenn
jemand es verdient hatte, Urk, den Ungehobelten zu spielen, dieser Jemand
bestimmt nicht Theodor Welk hieß.
    Die Lichter gingen aus.
    Archaisch dumpfe Trommelrhythmen wummerten.
    Die Wiesenhainfeen, die eben noch ihr luftiges Zuckergusseisballett
getanzt hatten, zogen sich ängstlich zurück.
    Ein Schlitten aus Knochen fuhr auf die Eisfläche hinaus, gezogen von
acht Trollen, die einen düsteren Choral sangen, in dem sie erzählten, dass sie
ausgezogen seien, Königin Hymnia zu rauben und bis in alle Ewigkeit in ihrem
finsteren Eispalast im rauen Norden gefangen zu halten.
    Auf dem Schlitten saß ihr Anführer, Urk, der Ungehobelte, und gab
sich redliche Mühe, ganz besonders barbarisch zu wirken.
    Theodor lehnte sich zurück. Bis jetzt lief noch alles nach
Plan (das heißt, nach