Fantastik AG
danach
suchen, bis ich es endlich in einem Antiquariat gefunden hab. Die Unibibliothek
hat ja überhaupt keine phantastischen Fachbücher.«
Theodor las den Titel.
»Die Verschollenen Chroniken.«
»Ja«, sagte Esmeralda. »Ich find es ein bisschen schwülstig
geschrieben. Und dieser Eralkes soll ja wohl der absolute Obermegasuperheld
sein. Die Stelle, wo er über den Schmalen Grat des Verderbens balanciert und
sich mit einer Hand gegen die 172 Gorgonenharpyien verteidigt, während er mit
der anderen Hand die Flamme der Schönen Ewigkeit vor dem Wütenden Windgott
Ylaous schützt und auf dem Rücken auch noch fünfzehn Kilo Gold schleppt, um die
Armen von Sorgensburg reich zu beschenken: Ich meine â hallo?«
Vor dem inneren Auge des Studenten erschien der Unbesiegte Held, der
lasch und aufgequollen auf dem Sofa vor dem Wunderspiegel herumlag, über die Peinlichsten Zwerge der Welt lachte und sich dabei an den
Chips verschluckte, die er kiloweise in sich hineinschaufelte.
»Na ja«, sagte er, »es ist natürlich schon ein wenig poetische
Ãbertreibung dabeiâ¦Â«
»Ein wenig? An einer anderen Stelle steht über Homur den Riesen,
dass er mehr als siebzig Meter groà sein soll. Selbst für einen Riesen kommt
mir das doch etwas viel vor.«
»Aber es stimmt wirklich!«, entgegnete Theodor.
Esmeralda kniff ein Auge zu.
»Woher willst du das wissen? Hast du ihn mal gesehen?«
»Ãhm, na ja«, beeilte sich Theodor einzuschränken, »sozusagen.
Im⦠übertragenen Sinn.«
Er sah auf seine Uhr.
»Eigentlich müsste der Professor längst hier sein.«
»Anscheinend verspätet er sich.«
»Er hat sich eigentlich noch nie verspätet.«
»Wie ist er denn so?«, fragte Esmeralda.
»Er ist⦠alt«, sagte der Student, was ihm die naheliegendste
Beschreibung des Dozenten zu sein schien.
»Ist er streng?«
»Man könnte es so formulieren: Zu deinem T -Shirt
würde er wahrscheinlich anmerken, dass Kobolde weder E-Gitarre spielen noch
preuÃische Pickelhauben tragen, abgesehen vielleicht von den Kobolden der
Grausigen Berge, die während des Siebeneinhalbmonatekrieges im 9. Jahrhundert
eine der Pickelhaube nicht unähnliche Kopfbedeckung verwendeten, was aber nichts
daran ändere, dass wir es hier mit einer sowohl historisch als auch
ethnologisch höchst inakkuraten Darstellung zu tun hätten.«
»Hört sich ziemlich humorlos an.«
»Oh, er hat durchaus Humor, wenn auch einen etwas⦠akademischen.
Wart's ab, bis er die Anekdote erzählt, wie der Student fast von den Zyklopen
gegrillt worden wäre, weil er nicht wusste, wie man Grschoutou richtig ausspricht.«
»Grschtou?«, fragte Esmeralda. »Was ist das?«
»Grschoutou«, verbesserte Theodor. »Grschtou bedeutet so viel wie alter Ziegenhintern . Und Grschoutou â vielleicht
veranstaltet die Phantastische Fachschaft ja demnächst mal ein Turnier, jetzt,
wo sich das Institut kaum noch vor möglichen Teilnehmern retten kannâ¦Â«
In diesem Augenblick betrat Professor Welk den Hörsaal.
Er sah abgehetzt aus, seine Haare waren noch wirrer als sonst und er
wirkte sehr aufgeregt.
»Gut, dass ich Sie hier treffe«,
sagte er an Theodor gewandt. »Wir müssen unbedingtâ¦Â«
Der Professor stutzte, als er Esmeralda bemerkte.
»Und wer sind Sie, junge Dame?«, fragte er überrascht.
»Ich bin Esmeralda. Ich hab dieses Semester mein Phantastikstudium
angefangen.«
»Ausgezeichnet,« sagte der Professor. »Kobolde spielen zwar weder
E-Gitarre, noch tragen sie Pickelhauben, abgesehen vielleicht von denen der
Grausigen Berge während des Siebeneinhalbmonatekrieges, aber wir können jetzt
tatsächlich jede Hilfe brauchen. Also hören Sie zu. Herr Welk, erinnern Sieâ¦Â«
»Du heiÃt auch âºWelkâ¹?«, fragte Esmeralda überrascht den Studenten.
»Seid ihr zwei irgendwie verwandt?«
Theodor und der Professor tauschten einen verlegenen
Phantastiker-Blick.
Der Professor fand als Erster die Sprache wieder.
»Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen«, stellte er
fest. »Die Welt ist in groÃerâ¦Â«
Plötzlich unterbrach er sich und horchte misstrauisch auf.
»Wasâ¦Â«, begann Theodor.
»Schhhh!«, machte der Professor und legte den Finger auf die
Lippen.
Vorsichtig schlich er an der
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