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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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war.
    Professor Welk beschloss, den Vorfall zu ignorieren.
    Â»Zunächst Höltins Standardwerk ݆ber das Wunderbare‹«, fuhr er
fort, »weiterhin Schleedorns Schrift über Zwerge mit dem Titel ›Die
Unterirdischen‹, ergänzend dazu selbstverständlich die von Doktor Diecksen
herausgegebenen ›Beiträge zur Geschichte der Feen und Elfen‹ …«
    Â»Entschuldigung.«
    Der Professor brach ab und räusperte sich.
    Der junge Mann senkte den Arm.
    Â»Ist das hier die ergänzende Übung C1 zum Modul Marktforschungsstatistik
I?«
    Â»Ã„hm«, sagte Professor Welk, »nein. Das ist meine Vorlesung über
Trolle.«
    Diese Mitteilung sorgte für einige Unruhe.
    Einer der Studenten, der bis eben noch sorgfältig mitgeschrieben
hatte, riss eine Seite aus seinem Heft und zerknüllte sie.
    Die Mehrheit der Anwesenden erhob sich gleichzeitig und verließ den
Hörsaal.
    Eine Zeit lang waren noch Schritte, Stimmen und vereinzeltes Lachen
auf dem Gang zu hören, dann wurde es still.
    Professor Welk atmete befreit auf.
    Ein Irrtum, Beginn des Semesters, uninformierte Studienanfänger. Das
kam vor, wenn auch glücklicherweise ausgesprochen selten.
    Ob die jungen Leute rechtzeitig zu ihrer Übung C1 zum Modul I kommen
würden, durfte bezweifelt werden. Möglicherweise würden sie nicht einmal
pünktlich an den Abschlussklausuren zum Ende des Semesters teilnehmen können,
wenn sie nicht durch puren Zufall den Ausgang aus den Katakomben fanden.
    Â» …Wachobels ausgezeichnete
Monografie ›Nebenwelten‹«, nahm der Professor seinen Vortrag wieder
auf, »sowie Schlögels Lexikon phantastischer Grundbegriffe. Für die aktuelle
Vorlesung empfehle ich die Anschaffung der folgenden Titel …«
    Ein einzelner Student saß noch einsam in der Mitte des Hörsaales,
aber daran gab es nichts auszusetzen. Er hatte bereits an allen
Phantastikvorlesungen der letzten Jahre teilgenommen und gehörte inzwischen
sozusagen zum vertrauten Inventar von Raum 043a.
    Bislang war er höchstens durch stumme Anwesenheit aufgefallen und
hatte den Dozenten auch mit plumpen Versuchen persönlicher Kontaktaufnahme
verschont.
    Professor
Welk kannte seinen Namen zwar nicht, aber der junge Mann war ihm sympathisch.
Er schien ähnlich über den Begriff Privatsphäre zu denken, wie der Professor
selbst: dass nämlich Privatsphäre einen kugelförmigen Körper
mit einem Radius von mehreren Kilometern bezeichne, in dessen Mitte sich
ungestört ein einzelnes Individuum aufhielt.
    Â»Nach diesen allgemeinen Ausführungen möchte ich nun mit meiner
Vorlesung über Trolle beginnen«, fuhr der Professor fort, und als sein Blick
den Studenten kurz streifte, dachte er: ›Alles was recht ist, aber der könnte
fast selbst als Troll durchgehen, so wie er aussieht …‹
    Theodor – so hieß der einsame Student, der nach Meinung
des Professors so entschieden trollartig aussah – Theodor besaß einen gewissen
Hang zur Schwermütigkeit.
    Einerseits war dies auf sein Körpergewicht zurückzuführen:
    Er hatte entschieden zu viel davon und es zog ihn nachdrücklich
abwärts. Ohne Weiteres hätte es für zwei bis drei Menschen oder einen gut
genährten Steintroll gereicht.
    Der andere Grund für Theodors eher verhaltenen Enthusiasmus hing mit seinen stagnierenden Karriereplänen
zusammen, wobei von Karriereplänen im eigentlichen Sinne nicht die Rede
sein konnte.
    Auf die Frage, was er nach dem Studium machen wolle, pflegte er zu
antworten: »Frag mich lieber, was ich nicht machen
will.«
    Allerspätestens
jenseits des 15. Semesters hatte diese Antwort nichts mehr mit Humor zu tun,
nicht einmal mit schwarzem. Aber es fragte ihn auch niemand mehr. Die stummen,
kopfschüttelnden Blicke, mit denen man ihn stattdessen bedachte, deuteten an,
dass man über seine berufliche Zukunft, beziehungsweise deren Nichtvorhandensein,
hinreichend Bescheid wusste.
    Als er sich vor Jahren für sein Studium entschieden hatte, war er
sich selbstverständlich darüber im Klaren gewesen, dass der Arbeitsmarkt nur
begrenzte Aufnahmekapazitäten für Phantastiker bereithielt. Was so nicht ganz
stimmte. Der Arbeitsmarkt hatte nicht bloß begrenzte Aufnahmekapazitäten,
er hatte überhaupt keine.
    Natürlich gab es Alternativen des Quereinstiegs. Die hatte er
während eines

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