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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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sollen?
    Seine Gedanken verwirrten und verknoteten sich.
    Er nahm Platz und versuchte ein wenig in Gremms ›Kompendium der
Illusionsmagie‹ zu lesen, aber es hatte keinen Zweck.
    Seit es das Institut für Phantastik nicht mehr gab, war die Zukunft
zu einer Größe geworden, die ihn unmittelbar betraf.
    Theodor ging ans Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus. Schnee
lag wie weißes, unbeschriebenes Papier auf den Straßen.
    Das Telefon klingelte.
    Professor Welk lauschte dem Klingelzeichen und trommelte
mit den Fingern auf dem Telefontischchen.
    Nach dem zwölften Mal legte er auf.
    Offensichtlich war der junge Mann nicht zu Hause.
    Der Professor kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Sein ganzer
Körper vibrierte vor wissenschaftlicher Energie.
    Höchst unerwartete Wendung des Schicksals, dachte er.
    Ausgerechnet in dem Moment, in dem
eine bedauerlich kurzsichtige Bildungspolitik der altehrwürdigen phantastischen
Wissenschaft den finalen Stoß versetzt hatte, war er auf den entscheidenden
Hinweis gestoßen, der ihn, Professor Hieronymus C. Welk, geradewegs zur
größten Entdeckung in der Geschichte seines Faches geführt hatte.
    Nein, korrigierte sich der Professor, keine falsche Bescheidenheit.
    Was dort in seinem Arbeitszimmer auf dem Schreibtisch lag, umgeben
von hohen Bücherstapeln, zwischen deren Seiten
Hunderte von beschriebenen kleinen Notizzetteln hervorragten, war nicht
nur die größte Entdeckung in der Geschichte phantastischer Forschung, es war
darüber hinaus die größte Entdeckung in der Geschichte der Menschheit
überhaupt. Da konnte es keine zwei Meinungen geben.
    Und er war fast durch reinen Zufall darauf gestoßen.
    Der erste Gedanke, der ihn auf die richtige Spur gebracht hatte, war
ihm auf dem Nachhauseweg gekommen, als er die Straßennamen auf den Schildern
gelesen hatte. Der Rest war wissenschaftliche Routinearbeit gewesen.
    Er blätterte aufgeregt in Adelbergs ›Atlas der Fernen Länder nebst
einem Register‹ (der Professor besaß selbstverständlich die Erstausgabe von
1814) und nahm vergleichend noch einmal die Karte zur Hand, die er in seinem
Sprechzimmer gefunden hatte. Es passte alles zusammen, besonders, wenn man
Adelbergs mysteriöses Verschwinden im Juli 1817 berücksichtigte.
    Jetzt kam es nur noch darauf an, die Sache richtig anzugehen.
    Eine Expedition musste ausgerüstet werden.
    Die Finanzierung dürfte sich schwierig gestalten, mit großindustriellem
Sponsoring war nicht zu rechnen. Allerdings hielt es der Professor ohnehin für
angebracht, die Öffentlichkeit fürs Erste auszuschließen, was angesichts des
totalen Desinteresses, das die breite Öffentlichkeit der Phantastik
entgegenbrachte, auch nicht weiter problematisch sein sollte.
    Also, hatte sich Professor Welk
gesagt, wer kommt infrage?
    Ich.
    Das war schon mal einer.
    Und sonst?
    Da wurde es schon schwieriger.
    Dann erinnerte er sich an etwas, das der Direktor gesagt hatte: Einen gab es also zumindest noch. Und er hatte ihn ja auch
selbst in den Lehrveranstaltungen der letzten Jahre immer wieder gesehen.
    Danach hatte der Professor telefoniert, was ein reichlich entnervendes
Unterfangen gewesen war, denn die Universitätssekretärin am anderen Ende der
Leitung hatte sich vehement geweigert, die Tatsache seiner Existenz
anzuerkennen.
    Â»Professor Welk?«, hatte sie sarkastisch gesagt. »Ja klar! Und
hier ist die Feenkönigin!«
    Schließlich hatte er die gewünschte Information aber doch bekommen.
    Einen Namen und eine Telefonnummer.
    Bei dem Namen hatte er gestutzt.
    Â»Sind Sie sicher, dass das stimmt? Nein … ja … ja, ich finde auch,
dass ich schon genug von Ihrer kostbaren Zeit mit meinen Phantastereien gestohlen habe. Ja, nein. Wiederhören.«
    Die Sache mit dem Namen blieb merkwürdig. Aber es konnte auch ein
Zufall sein.
    Gegenwärtig war anderes wichtiger.
    Professor Welk rieb sich die Hände und wandte sich wieder der Karte
zu.
    Theodor kaute am Ende des Bleistifts. Vor ihm lag sein Curriculum vitae.
    Immerhin schien es ihm geraten, sich jetzt, zum Ende seines
Phantastikstudiums, ein paar Gedanken um das beruflich Nächstliegende zu
machen.
    So wie es aussah, bestand das beruflich Nächstliegende in seinem
Fall aus einer hohen Mauer und einem Schild mit der Aufschrift: Geschlossene
Gesellschaft.
    Â 
    Lebenslauf
    27 Semester Studium der Phantastik, ohne Abschluss
    Praktikum

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