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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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schlürft ein paar Schluck Kaffee, zündet dann eine Zigarette an. Sag jetzt bloß nichts, warnt ihr Blick. Sonst gibt's Stress.
    »Warum bist du nicht in der Gärtnerei?« Ruth zwingt sich, ruhig und freundlich zu bleiben. »Du weißt doch, dass wir das Geld dringend brauchen.«
    »Kein Bock.« Bea inhaliert Rauch, bläst den Qualm in Richtung ihrer Mutter. Sie hat schon wieder zugenommen, bemerkt Ruth frustriert, kein Wunder, wenn sie sich immer Hamburger kauft und so viel Alkohol trinkt, ich möchte mal wissen, von welchem Geld.
    »Jana hat heute Geburtstag«, sagt Bea leise und sieht auf einmal ganz jung aus und sehr verletzlich. Fast so wie früher, als noch alles in Ordnung war.
    »Ach, Mädchen.« Ruth beugt sich herunter und streichelt den rundlichen Arm ihrer Tochter. Sie würde sie gern umarmen, die Kluft zwischen ihnen überwinden, traut sich aber nicht, und auch Beatrice macht keinerlei Anstalten, sich an sie zu lehnen.
    »Ich mach jetzt das Essen warm«, sagt Ruth schließlich und geht zurück in die Küche, wo sie Reis und Hühnerklein auf zwei Tellern verteilt und mit Erleichterung bemerkt, dass ihre Tochter ins Badezimmer schlurft. Ein Blick auf die Uhr sagt ihr, dass sie sich nun wirklich beeilen muss, denn sie hat ihrer Schwester versprochen zu helfen und am Abend steht ihr noch eine lange Schicht in der Telefonseelsorge bevor. Sie ruft nach ihrer Tochter, schiebt den ersten Teller in die Mikrowelle und füllt zwei Gläser mit Mineralwasser, gerade als sie im Radio die Nachricht über den Priester wiederholen.
    »Kennst du den?« Beatrice setzt sich an den Küchentisch.
    »Ich weiß es nicht, sie sagen ja seinen Namen nicht.« Ruth reicht ihrer Tochter den Teller, schiebt ihre eigene Portion in die Mikrowelle, auch wenn sie plötzlich gar keinen Appetit mehr spürt.
    »Du kennst ihn bestimmt. Du kennst die doch alle!« Bea beginnt zu essen, nur mit der Gabel, den linken Ellbogen auf den Tisch gestemmt.
    »Iss bitte anständig, Beatrice«, sagt Ruth automatisch.
    »Bat!« Ihre Tochter leert ihr Wasserglas in einem Zug, ohne den Ellbogen vom Tisch zu nehmen, und mustert Ruth interessiert. »Vielleicht hat ja jemand deinen heiligen Hartmut gekillt!«
    »Das heißt Priester Warnholz! Und den lässt du bitte aus dem Spiel!«
    »Was für ein Spiel?« Beatrice rülpst leise und schaufelt sich eine weitere Ladung Frikassee in den Mund, den Blick fest auf Ruth gerichtet. »Ich denk, der ist tot.«
    »Nicht Priester Warnholz, nein.« Ruth öffnet die Mikrowelle, langt nach ihrem Teller, verbrennt sich, das heiße Frikassee schwappt auf ihre Bluse. Tränen schießen ihr in die Augen, sie setzt den Teller hart auf den Tisch, zu hart, denn nun ist auch noch das nagelneue Platzdeckchen besudelt, dabei hatte sie sich so über das hübsche Design gefreut und nun gibt es diese Sets sicher nicht mehr im Angebot. Sie dreht sich zur Spüle, hält ihre Hand unter kaltes Wasser, reibt mit einem Lappen über ihre Bluse. Es kann nicht sein, betet sie stumm. Nicht Hartmut, nein.
    »Dein Essen wird kalt, Ma.«
    Ruth dreht den Wasserhahn zu und setzt sich ihrer Tochter gegenüber. Ihr Herz hämmert wild. Sie springt wieder auf, versucht mit einem feuchten Lappen das Platzdeckchen zu retten.
    »Priester Warnholz ist nicht für Sankt Pantaleon zuständig, Bea.«
    »Bist du sicher?«
    »Er arbeitet als Notfallseelsorger für die Polizei und als Supervisor für Einrichtungen wie die Telefonseelsorge, das habe ich dir doch alles erklärt.« Ruth schiebt ein paar Reiskörner und ein Stück Huhn auf ihre Gabel. Sie fühlt sich auf einmal sehr nackt unter dem Blick ihrer Tochter. Als wäre sie ein Insekt, das Beatrice studiert. Eine der armseligen Heuschrecken in dieser Pappschachtel.
    Beatrice lächelt, fast so, als könne sie Ruths Gedanken lesen. Sie trinkt einen großen Schluck Mineralwasser, stößt dann ihre Gabel wieder ins Essen.
    »Ich hab deinen Hartmut aber schon bei Pantaleon gesehen«, sagt sie.
    »Wann?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wann, Beatrice?«
    »Weiß ich nicht mehr. Irgendwann neulich. Nachts.«
    Etwas zischt, Benzin gluckert, eine Tür schlägt zu, ein Streichholz wird angerissen. Angst. Schmerz. Abgrundtiefe Schwärze. Die Gewissheit, dass sie gefesselt ist, wehrlos und gleich bei lebendigem Leibe verbrennen wird. Die Panik jagt sie hoch, ihr rasendes Herz. Judith reißt die Augen auf, erkennt ihre Wohnung. Sie wollte sich nur kurz aufs Sofa legen, muss aber eingeschlafen sein, so tief, dass die Bilder die Macht

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