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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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verdammte Nacht.
    Die russische Ärztin ist jetzt mit der Soutane fertig. Gemeinsam mit Karl-Heinz Müller zieht sie sie dem Priester vom Leib. Eine Anzughose und ein schwarzes, eng anliegendes, blutverkrustetes T-Shirt kommen darunter zum Vorschein. Der Oberkörper des Toten und insbesondere seine Oberarme wirken durchtrainiert, jedenfalls sehr viel muskulöser, als man es bei einem Priester um die fünfzig erwarten würde. Aber vielleicht ist das ein Vorurteil, vielleicht gehen Geistliche heute ins Fitnessstudio oder stemmen im Pfarrhaus Gewichte, um sich vom Seelsorgen zu erholen.
    Manni hält Meuser und dem Staatsanwalt seine Tüte mit Fisherman's hin. Sie lehnen ab, aber er nimmt selbst eins, schiebt es mit der Zunge in seine Backe.
    »In der Kirche ist eine Marmorskulptur, die zeigt, wie einer mit einer Lanze mordet.«
    »Ein Vorbild für dieses Delikt?« Der Staatsanwalt furcht die Augenbrauen.
    Ralf Meuser räuspert sich. »Das könnte eine Darstellung des Erzengels Michael sein. Auch viele Heilige tragen ein Symbol bei sich. Es gibt bestimmt einen mit einem Schwert.«
    »Mordende Engel und meuchelnde Heilige?« Manni betrachtet die blutige Brust des Toten.
    »Die meisten Heiligen wurden heiliggesprochen, weil sie sich ermorden
ließen.
Für ihren Glauben.«
    Wie einen Flashback sieht Manni die Jesushaltung des Ermordeten vor sich, den Blick in den Himmel, die weit ausgebreiteten Arme, als wolle er seinen Mörder umarmen. Seinen Mörder, der ihn des Mordes bezichtigt.
    »Aber es gibt wohl auch welche, die für ihren Glauben getötet haben«, sagt Meuser nachdenklich.
    »Wen haben die denn getötet?«
    »Ungläubige? Vom Teufel Besessene? Dämonen?« Ralf Meuser hebt die Schultern. »Ich bin kein Theologe – aber das müsste sich schnell herausfinden lassen.«
    Die Russin und Karl-Heinz Müller ziehen nun an der Anzughose. Ein sehr enger und knapper Slip kommt darunter zum Vorschein, die deutliche Wölbung des Penis wirkt in dieser Umgebung beinahe obszön. BOSS steht auf dem Bund der Unterhose. Nicht gerade das, was man in dieser Körperregion von einem katholischen Geistlichen erwartet.
    Karl-Heinz Müller pfeift durch die Zähne, legt ein paar Takte
Do you think l'm sexy
nach.
    Ekaterina Petrowa wirft ihrem Chef einen ihrer rabenschwarzen Mongolenblicke zu, zerrt sich wortlos den Mundschutz vor und macht sich an der Unterhose des Priesters zu schaffen. Umgehend eilt Karl-Heinz Müller ihr zu Hilfe. Im null Komma nichts liegt der Priester nackt vor ihnen. Ein gut gebauter Mann, der sich nun, im Adamskostüm, in nichts von irgendeinem anderen Mann unterscheidet, abgesehen natürlich von der Verletzung in seiner Brust, der ein süßlicher Geruch entströmt. Wieder tappt die russische Rechtsmedizinerin in ihren absurden Stiefeln hoch konzentriert um den Obduktionstisch. Tastet hier, fingert da, kauderwelscht in ihr Diktiergerät.
    »Er trug einen Ring«, sagt sie schließlich, hebt die linke Hand des Toten hoch und zeigt ihnen eine Druckstelle am Ringfinger, wie sie entsteht, wenn jemand einen Ring selten ablegt.
    »Einen Ehering trägt man rechts«, sinniert Kollege Meuser.
    »Nicht jeder«, widerspricht Manni.
    »Er könnte auch einen Siegelring getragen haben.«
    »Den der Täter geklaut hat?«
    »Vielleicht. Ohne Ring ist es schwerer, ihn zu identifizieren.«
    Die Petrowa lässt die Hand zurück auf den Stahltisch gleiten und nimmt ihre Bestandsaufnahme wieder auf.
    »Keine erkennbaren Abwehrverletzungen«, konstatiert sie schließlich und ihr ist anzusehen, dass ihr das überhaupt nicht gefällt. Mit zusammengekniffenen Lippen versenkt sie ein Zentimetermaß in der Brustwunde, stochert darin herum, wiegt den Kopf hin und her.
    »Die Klinge muss mindestens sieben Zentimeter breit sein. Der Stich ist mit großer Wucht ausgeführt worden, die Klinge ist, wie ich schon sagte, von vorn in voller Breite sehr tief eingedrungen, etwa fünfzehn Zentimeter.«
    Karl-Heinz Müller beugt sich nun ebenfalls tief über den nackten Körper, hält die Wunde mit zwei Stahlhaken offen. Seine Augen glänzen, wie immer, wenn es richtig zur Sache geht.
    »Die Tatwaffe ist mit ziemlicher Sicherheit ein zweischneidiges Schwert«, verkündet die Petrowa.
    Karl-Heinz Müller richtet sich auf. »Ein Schwert, eine Lanze, ein sehr großes Messer. Jedenfalls hat es ihn praktisch durchbohrt.«
    »Mörder«, sagt Manni. »Wenn diese Anschuldigung korrekt wäre, dann würde vermutlich eine persönliche Betroffenheit des Täters die Wucht

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