Farben der Sehnsucht
und dafür schulden wir ihm Respekt.«
»Na und? Du bist eine verdammt gute Polizistin, und er hat kein Quentchen Respekt für dich übrig«, konterte Jess.
»Er hat vor überhaupt niemandem Respekt«, wandte Sloan ein, die keine Lust hatte, sich ihre gute Laune nehmen zu lassen.
»Außer wenn er jemanden mag«, erwiderte Jess leicht verärgert.
Sloan schmunzelte. »Ach ja? Wen mag er denn zum Beispiel?«
Jess dachte einen Moment nach, bevor er leise auflachte. »Niemanden«, mußte er zugeben. »Du hast recht, er mag tatsächlich niemanden.«
Wie auf Verabredung schwiegen sie nun beide, während sie den Passanten zusahen und ab und zu jemanden freundlich grüßten. Sloan nahm vergnügt zur Kenntnis, daß einige Frauen mehr als einmal vorübergingen und offensichtlich darum bemüht waren, Jess’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Es verwunderte sie nicht. Jess Jessup war ein stadtbekannter Frauenliebling, und wie er sich auch anziehen oder betragen mochte, die Damen liefen scharenweise hinter ihm her. Jetzt, in seiner Polizeiuniform, wirkte er wie der Prototyp des gutaussehenden, charismatischen Cops aus einem Hollywoodfilm. Es waren nicht nur seine schwarzen Locken und sein umwerfendes Lächeln, das die Frauen für ihn einnahm, sondern auch die kleine Narbe über der linken Augenbraue, die ihm einen frechen, fast gefährlichen Touch gab, und die tiefen Grübchen in seinen Wangen, die seinen Zügen im Gegensatz dazu etwas rührend Jungenhaftes verliehen.
Er war erst vor einem Jahr nach Bell Harbor gekommen, nachdem er vorher sieben Jahre lang in Miami beim Dade County Police Department Dienst getan hatte. Nachdem er der Großstadt mit ihren Verbrechen und ihrem chaotischen Verkehr überdrüssig geworden war, hatte er eines Tages einen Schlafsack und ein paar Klamotten in seinen Jeep gepackt und war von Miami aus in Richtung Norden gefahren. Er hatte kein spezielles Ziel im Sinn und wußte nur, daß das Meer nicht weit sein sollte, und so war er schließlich in Bell Harbor gelandet. Nach zwei Tagen hatte er beschlossen, daß die kleine, etwas verschlafene Küstenstadt seine neue Heimat werden würde.
Er zögerte keinen Augenblick, den Polizeiposten in Bell Harbor anzunehmen, und ließ Miami ohne Bedauern hinter sich, auch wenn er damit auf einen höheren Dienstgrad und ein besseres Gehalt verzichtete. Kompetent, witzig und energiegeladen wie er war, war er schon bald bei seinen Kollegen fast so beliebt wie bei Bell Harbors Frauenwelt.
Der sprunghafte Anstieg von Notrufen aus den Vierteln, in denen Jess gerade Dienst hatte, sorgte auf dem Revier immer wieder für willkommene Erheiterung. Selbstverständlich handelte es sich bei den Anrufern überwiegend um Damen, die über den alle drei Monate wechselnden Dienstplan bestens informiert zu sein schienen.
Es sprach für Jess, daß er die Witzeleien seiner Kollegen mit scheinbar unbeeindruckter Gelassenheit und ohne jede Eitelkeit zur Kenntnis nahm. Wären die Frauen, mit denen Jess ausging, nicht ausnahmslos groß, gertenschlank und bildschön gewesen, hätte Sloan schon fast geglaubt, daß er keinerlei Wert auf gutes Aussehen legte, weder auf sein eigenes noch auf das der anderen.
Eine hübsche Rothaarige hatte soeben ihre kurze, aber intensive Besprechung mit zwei Freundinnen beendet, und die drei steuerten nun geradewegs auf ihren Tisch zu. Sloan erblickte sie im selben Augenblick wie Jess. »Da kommt dein Fanclub«, spöttelte sie. »Ich glaube, die drei haben gerade einen Plan geschmiedet.«
Zu Sloans Vergnügen tat Jess, als bemerke er das Trio gar nicht, und blickte statt dessen neugierig zu Saras Zelt hinüber. »Sieht so aus, als hätte Sara eine neue Kundin gewonnen«, erklärte er mit übertriebener Begeisterung. »Ist das nicht Mrs. Peale, mit der sie sich da unterhält? Ich sollte vielleicht mal rübergehen und hallo sagen.«
»Das kannst du ja versuchen«, erwiderte Sloan schmunzelnd. »Glaube aber nur nicht, daß du den drei Damen dadurch entkommst. Wenn du jetzt weggehst, laufen sie dir entweder nach, oder sie warten hier auf dich. Es ist nicht zu übersehen, daß sie diesen strahlenden, entschlossenen Gesichtsausdruck haben, den alle Frauen in deiner Nähe bekommen.«
»Alle außer dir«, sagte er schnell, und zu Sloans Verwunderung klang seine Stimme leicht verletzt.
Die drei Frauen waren etwa Ende Zwanzig, attraktiv und sonnengebräunt, und Sloan bewunderte sie insgeheim wegen ihrer Traumfiguren. Offensichtlich war die Rothaarige ihre
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