Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
angesehen. Vielleicht war es die Matriarchin inzwischen leid, dass ihre Handelsschiffe
andauernd von den dort ansässigen Piraten gekapert wurden. Ein weniger wahrscheinliches Ziel waren die Freien Häfen, denn das wäre ein riskantes Unternehmen, da die dortige Marine noch immer die Beste der Welt war – sie musste es sein, denn obwohl sie zahlenmäßig unterlegen war, hielt sie den Plünderungsversuchen des Reiches nun schon seit mehr als zehn Jahren stand.
Vielleicht würden sie Zanzahar angreifen, meinten die üblichen Spaßmacher bei solchen Gesprächen. Es war ein Witz, denn das wäre die größtmögliche Narrheit.
In Q’os herrschten Spekulation und Ungewissheit, und während es hier für diejenigen, die die Stadt als ihre Heimat bezeichneten, relativ sicher war, hielten die Straßen für Fremde viele Gefahren bereit. Baracha wusste sehr wohl, dass er, sein Geselle und seine Tochter sowie der noch immer bewusstlose Asch von ihren Feinden gejagt wurden. Es war unbedingt notwendig, dass sie die Stadt verließen, je früher, desto besser.
Aber die Häfen waren geschlossen.
Da ihnen nichts anderes übrigblieb, suchten sie sich ein Versteck. Sie hatten vor, so lange zu warten, bis der Schiffsverkehr wieder einsetzte, was ihrer Meinung nach binnen weniger Wochen der Fall sein würde. Schließlich war der Seehandel für die Stadt lebenswichtig. Daher konnte er nicht für lange Zeit unterbunden werden.
Sie fanden ein verlassenes Lagerhaus nicht weit von der Bucht entfernt, wo sie Nicos Leichnam verbrannt hatten. Das Gebäude war teilweise in einem alten Feuer
verbrannt, das die Nord- und Westseite fast vollständig vernichtet hatte. Aber die dem Meer zugewandten Teile besaßen noch ein Dach, und inmitten der geschwärzten Ruinen fanden sie einige frühere Büroräume, die fast unbeschädigt waren.
Hier verkrochen sie sich, warteten ab und kümmerten sich so gut wie möglich um Asch.
Der alte Rō̄schun hatte sich in einer seltsamen Ohnmacht verloren. Sein Atem ging flach, aber regelmäßig, und er gab keinerlei Laute von sich und bewegte sich nicht. Manchmal zuckten seine Lider, als ob er träumte.
Die meisten Tage hindurch saß Baracha im Lagerhaus und starrte durch eines der Fenster aufs Meer. Wenn er das nicht tat, lief er in dem engen Büroraum auf und ab und verfluchte leise den Verlust seiner Hand. Die Schmerzen, die er durchlitt, mussten gewaltig sein, aber er verbarg sie auf seine Alhazii-Weise. Zumindest schien der Stumpf gut zu verheilen.
Er sah Asch nur selten an, der leblos und ausgemergelt auf seiner Pritsche lag. Vielmehr schien er dem alten Mann in dessen gegenwärtigem Zustand der Schwäche aus dem Weg zu gehen und irgendwie entsetzt über ihn zu sein.
»Ich hoffe, ich werde nie krank, solange ich nur ihn habe, der sich um mich kümmert«, klagte Serèse eines Morgens, als sie wieder einmal Barachas mangelnde Anteilnahme bemerkte. Der alte Rōschun lag auf der einen Seite des Zimmers, und Baracha saß vor dem Fenster auf der anderen Seite. Sie träufelte Asch Wasser aus einem durchtränkten Tuch in den Mund und sah daher
nicht, wie sich ihr Vater umdrehte und sie mit einem finsteren Blick bedachte.
Vielleicht war sie damals noch zu jung gewesen, dachte Baracha, als ihre Mutter genauso dagelegen hatte, eine ganze Woche lang in Bewusstlosigkeit, bevor sie gestorben war.
Oder , sagte eine widerhallende Stimme in seinem Kopf, sie erinnert sich nur zu gut und ist ganz einfach stärker als du .
Baracha erkannte, dass das die Wahrheit war. Er fühlte sich dadurch herabgesetzt und schaute weg.
Die Tage wurden zu Wochen. Auf ihre eigene Weise waren die drei ruhelos, angespannt und voller Trauer und Leid. Sie stritten immer öfter miteinander. Häufig mussten sie dabei plötzlich leiser werden, damit sie ihre Gegenwart nicht verrieten. Sie haderten darüber, wer das meiste aß und trank; sie stritten sich darum, wer nachts den Kübel leeren, Wache halten, kochen oder abwaschen musste. Sie kämpften um ihre Schlafplätze. Sie gerieten sogar über ihrem täglichen Kartenspiel in Streit und setzten Arbeitsdienste und Nahrungsmittel statt Geld ein, bis es einmal beinahe wegen eines solchen Spiels zum Kampf gekommen wäre. Beschuldigungen wegen Betrug und Falschspiel kamen auf, alle waren empört, und der Verlierer schlich mürrisch und verbittert davon.
Als alle drei am Ende der zweiten Woche mitten in einer dieser hitzigen Debatten wütend aufeinander einschrieen, ertönte plötzlich eine Stimme
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