Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
aus der Ecke des Raums und bat sie freundlich, still zu sein.
Sie kam von Asch, der sich auf seiner Pritsche aufgerichtet hatte und verärgert die Augen rieb.
»Meister Asch! «, rief Aléas aus.
»Ja«, erwiderte Asch, als ob er damit ausdrücken wollte, dass er es tatsächlich war.
Da die Häfen noch geschlossen waren und kein Schiff auslaufen durfte, waren immer weniger Kapitäne bereit, die Insel Q’os mit ihren Gütern anzulaufen, und diejenigen, die in den Hafen einsegelten, verkauften ihre Waren natürlich zu unglaublich hohen Preisen.
Dadurch wurden die Nahrungsmittel in der Stadt so teuer, dass nur noch die Reichen sie sich leisten konnten. Am fünfzehnten Tage der selbst auferlegten Blockade brachen wegen der Nahrungsmittelknappheit Aufstände aus. Ein ganzer Distrikt mit Lagerhäusern im Norden wurde dem Erdboden gleichgemacht. An anderen Stellen tobten Feuer durch die Stadt, und auf den Straßen wurden Barrikaden errichtet. Auf dem Strafplatz mähte die Kavallerie zweihundert Menschen nieder, die nach Brot verlangten; in der Mehrzahl waren es hungrige Frauen und Kinder.
Am nächsten Tag wurden die Häfen wieder geöffnet.
Der Sentiatentempel war heute verlassen. Es befanden sich nur noch jene hier, die in seinen Mauern lebten,
denn er war wie alle anderen Vergnügungsstätten in Q’os geschlossen worden, während die Stadt den Tod des Sohnes der Matriarchin betrauerte.
Ché war nicht der Meinung, dass Kirkus’ Ableben ein großer Verlust war. Er kannte den jungen Mann nur zu gut. Kirkus war ein verdorbener Bengel gewesen, der sich als etwas Besonderes angesehen und überall dort, wo er ging und stand, Chaos und Verwüstung angerichtet hatte, während er darauf gewartet hatte, dass seine Mutter abdankte und den Thron für ihn frei machte. Wer konnte schon sagen, welche Ungeheuerlichkeiten er auf die Welt losgelassen hätte, wenn er je zum Heiligen Patriarchen ernannt worden wäre? Wenn er diese Position erlangt hätte, dann wäre er der erste Patriarch gewesen, der für diese Rolle geboren und erzogen worden war. Alle früheren Herrscher hatten sich den Weg an die Spitze selbst erkämpft und sich dort so lange wie möglich festgehalten. Niemand hatte je lange genug gelebt, um den Thron an einen seiner Abkömmlinge weiterzugeben. Um den Thron herrschte ein andauernder Konkurrenzkampf.
Als Ché nach Q’os zurückgekehrt war, hatte ihn die Nachricht vom Tod des jungen Mannes überrascht – nicht vom Tod selbst, sondern davon, dass die Rō̄schun es tatsächlich geschafft hatten, ihn umzubringen. Er konnte nicht umhin, sie zu bewundern. Ein unmittelbarer Angriff auf den Tempel? Er war höchst erstaunt über die Tollkühnheit dieser Tat gewesen, als er von ihr erfahren hatte. Niemand hatte das vorhergesehen, auch nicht Ché. Die Diplomaten des Reiches waren dazu ausgebildet,
feinere Methoden anzuwenden; sie planten nicht auf so direkte Weise.
Hier im Tempel der Sentiaten hatte Chés Mutter ihr Entsetzen über das ausgedrückt, was sie als Tragödie für das Reich ansah. In gewisser Weise fühlte sie sich dem Tempel des Wisperns persönlich zugehörig, besonders wenn es um die Matriarchin ging. Zweifellos lag das an dem Kopfkissengeflüster zwischen ihr und den Priestern des Tempels. Ché wusste, dass ihre Kunden aus den gehobenen Klassen kamen.
»Deine Haut sieht schrecklich aus«, tadelte sie ihn, als sie am Springbrunnen im siebten Stock des Sentiatentempels saßen.
»Danke, dass du mich darauf hinweist, Mutter.«
»Du hast nicht gut genug auf dich aufgepasst. Du wirkst erschöpft.«
Er zog das Gesicht weg vom sanften Spiel ihrer Finger. »Ich war verreist«, sagte er, »in diplomatischer Mission. Es war sehr schwierig.«
»Aber du bist schon seit Tagen wieder zurück, wie mir meine Quellen sagen. Du solltest dich inzwischen erholt haben. «
Die Luft war kühl hier und wurde durch die sanften Kaskaden des Brunnens frisch gehalten. Ché sah sein Bild im Wasserspiegel, aber es war schwach, schattenhaft und ohne erkennbare Einzelheiten. Er fuhr mit den Fingerspitzen durch das gekräuselte Wasser und zerstreute sich selbst dabei.
»Ich schlafe nicht gut«, gestand er.
Sie betrachtete ihren Sohn eingehender. Unter ihrem
Blick war ihm unwohl, und er weigerte sich, sie anzusehen.
»Etwas beunruhigt dich?«
Ché schaute hoch. Auf der anderen Seite des Raumes unterhielten sich einige Eunuchen miteinander. Er konnte ihre Worte im Plätschern des Brunnens kaum verstehen, aber er senkte
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