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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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wie sie nur konnten, eine verstümmelte Version, aus der sie alle Stellen, an denen Trotzki erwähnt wurde, eliminiert und auch die von Le nin verfaßte Einleitung weggelassen hatten. Hätte noch eine radikale Intelligenz existiert, wäre dieser Fälschungsakt in jeder literarischen Zeitschrift im Land aufgedeckt und angeprangert worden. So gab es wenig oder gar keinen Protest. Viele englische Intellektuelle hielten das für eine ganz normale Sache. Und diese Toleranz oder platte
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    Unehrlichkeit heißt viel mehr, als daß diese Bewunderung für Russland im Augenblick nun mal Mode ist.
    Höchstwahrscheinlich wird diese bestimmte Mode nicht von Dauer sein. Soviel ich weiß, kann bei Erscheinen dieses Buches meine Einschätzung des Sowjet-Regimes die allgemein
    anerkannte sein. Doch was würde das nützen? Eine Orthodoxie durch eine andere zu ersetzen ist nicht unbedingt ein Fortschritt.
    Der Feind ist stets die Grammophon-Mentalität, gleichgültig ob einem die Platte, die gerade gespielt wird, nun paßt oder nicht.
    Ich kenne alle die Argumente gegen die Gedanken- und Redefreiheit zur Genüge - jene Argumente, die behaupten, daß es sie nicht geben kann, und jene Argumente, die behaupten, daß es sie nicht geben soll. Ich antworte darauf nur, daß sie mich nicht überzeugen und daß unsere Zivilisation für einen Zeitraum von vierhundert Jahren auf der gegenteiligen Ansicht gefußt hat.
    Seit gut einer Dekade bin ich der Meinung gewesen, daß das existierende russische Regime größtenteils ein Übel ist, und ich beanspruche das Recht, dies zu sagen, obgleich wir und die UdSSR Verbündete in einem Krieg sind, den ich gewonnen sehen möchte. Müßte ich mir einen Text zu meiner
    Rechtfertigung aussuchen, würde ich die Zeile von Milton wählen:
    »Nach den bekannten Regeln uralter Freiheit«
    Das Wort uralt betont die Tatsache, daß intellektuelle Freiheit eine tiefverwurzelte Tradition ist, ohne die unsere typisch westliche Zivilisation nur ungewißen Bestand hätte. Von dieser Tradition kehren sich viele unserer Intellektuellen sichtlich ab.
    Sie haben den Grundsatz akzeptiert, daß ein Buch nicht auf Grund seiner Meriten veröffentlicht oder unterdrückt, gelobt oder verdammt werden sollte, sondern gemäß der politischen Zweckdienlichkeit. Und andere, die diese Ansicht eigentlich nicht teilen, pflichten ihr aus schierer Feigheit bei. Ein Beispiel hierfür ist das fehlende Aufbegehren der zahlreichen und
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    lautstarken englischen Pazifisten gegen die herrschende Verehrung des russischen Militarismus. Nach Ansicht dieser Pazifisten ist alle Gewalt böse, und sie haben uns in jedem Stadium des Kriegs gedrängt, aufzugeben oder wenigstens einen Kompromißfrieden zu schließen. Aber wie viele von ihnen haben je zu verstehen gegeben, daß der Krieg auch böse ist, wenn die Rote Armee ihn führt? Augenscheinlich haben die Russen das Recht auf Selbstverteidigung, wohingegen bei uns seine Wahrnehmung eine Todsünde ist. Dieser Widerspruch läßt sich nur auf eine Art erklären: nämlich durch den feigen Wunsch, nicht aus der Masse der Intelligenz auszuscheren, deren Patriotismus eher Russland gilt als England!
    Ich weiß, daß die englische Intelligenz allen Grund für ihre Schüchternheit und Unehrlichkeit hat; ich kenne die Argumente, mit denen sie sich rechtfertigt, sogar auswendig. Doch zumindest von dem Unsinn, die Freiheit gegen den Faschismus zu verteidigen, wollen wir nichts mehr hören. Falls Freiheit überhaupt irgendetwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. Die gewöhnlichen Leute billigen diese Doktrin noch in etwa und handeln danach. In unserem Land - es ist nicht in allen Ländern so: es war im Frankreich der Republik nicht so, und es ist in den Vereinigten Staaten von heute nicht so -sind es die Liberalen, die die Liberalität fürchten, und die Intellektuellen, die den Intellekt beschmutzen wollen: um auf diese Tatsache
    aufmerksam zu machen, habe ich dieses Vorwort geschrieben.
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