Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01
gewöhnt. Dennoch solltest du dich glücklich schätzen, hier zu sein. Ich erinnere mich an deine brennende Neugier, die Polarregion betreffend, und der Spekulationen, die du darüber anstelltest. Es hat schon eine ganze Reihe anderer Leute gegeben, die sich aufmachten, dem Strom flußabwärts zu folgen. Auch sie suchten nach einem persönlichen Ultima Thule oder – wenn du mir den Ausdruck verzeihen willst – nach dem goldenen Schlüsselchen am Ende des Regenbogens, nach dem nur Narren suchen. Aber entweder sind sie unterwegs verschollen oder kehrten zurück, weil unüberwindliche Hindernisse ein Weiterkommen unmöglich machten.«
»Welche Hindernisse waren das?« fragte Burton und zerrte aufgeregt an Collops Arm.
»Du tust mir weh, mein Freund. Es handelt sich um die Gralsteine, die plötzlich aufhören, so daß niemand mehr seinen Gral mit Nahrung füllen kann.
Des weiteren rücken die Berge plötzlich derart nahe an den Fluß heran, daß man nicht mehr weiß, wohin man den Fuß setzen soll. Der Fluß zieht sich dort in die Berge hinein und bahnt sich seinen Weg durch eiskalte Klüfte. Was dahinterliegt, weiß niemand, denn bis jetzt ist noch kein Mensch aus diesem Gebiet zurückgekehrt, um darüber zu berichten. Aber ich befürchte, daß sie das gleiche Ende ereilt hat wie alle, die die Sünde der Hybris begingen.«
»Wie weit ist das Gebiet, aus dem niemand zurückkehrte, von hier entfernt?«
»Wenn man die Flußwindungen berücksichtigt, sind es etwa vierzigtausend Kilometer. Mit einem guten Segelboot könntest du es in einem Jahr schaffen.
Aber der Allmächtige Vater allein weiß, wie weit du dann noch gehen mußt, um das wirkliche Ende des Flusses zu erreichen. Vor allen Dingen ist es unmöglich, vorherzusagen, wie viel Proviant du auf das Boot laden müßtest, nachdem du den letzten Gralstein hinter dich gebracht hast, um nicht des Hungers zu sterben.«
»Es gibt eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte Burton.
»Es kann dich also nichts davon abhalten, Richard Burton?« fragte Collop.
»Du willst dieses fruchtlose Unterfangen also um keinen Preis aufgeben?«
Erneut griff Burton nach Collops Arm.
»Hast du mich gerade Burton genannt?«
»Ja. Vor einiger Zeit erzählte mir dein Freund Göring, daß dies dein wirklicher Name sei. Und er hat mir auch noch andere Dinge über dich gesagt.«
»Göring ist hier?«
Collop nickte. »Er ist jetzt seit zwei Jahren unter uns und lebt etwa eineinhalb Kilometer von hier entfernt. Wir können ihn morgen besuchen. Du wirst erstaunt sein, wenn du siehst, wie sehr er sich verändert hat. Er hat es geschafft, die Macht des Traumgummis zu brechen und aus sich einen völlig neuen Menschen zu machen. Er ist sogar zum Führer der Kirche in diesem Gebiet geworden, während du, mein Freund, einem imaginären Gral nachjagtest.
Er hat einen Heiligen Gral in sich selbst errichtet, obwohl er beinahe an seinem Wahnsinn zugrundegegangen ist und fast wieder soweit war, in die Bösartigkeit seiner irdischen Existenz zurückzufallen. Aber die Gnade Gottes und sein eigenes Bemühen, sich und uns zu beweisen, daß sogar er würdig ist, die Chance des zweiten Lebens zu erhalten… Nun, du kannst es morgen mit deinen eigenen Augen sehen. Und ich bete darum, daß auch du von seinem Beispiel profitierst.«
Collop erklärte ihm, was er meinte. Wie Burton hatte auch Göring fast die gleiche Anzahl von Selbstmorden aufzuweisen. Unfähig, mit den ihn plagenden Alpträumen und Selbstbeschuldigungen fertig zu werden, hatte er einen Freitod nach dem anderen praktiziert. Mit ständig gleichem Resultat: Wo er auch erwachte – die Alpträume blieben. Schließlich war er in diesem Gebiet aufgetaucht und hatte Collop, sein ehemaliges Opfer, um Hilfe gebeten. Und es war ihm gelungen, sich selbst zu besiegen.
»Das überrascht mich«, gab Burton zu. »Ich freue mich für ihn, aber ich verfolge selbst andere Ziele. Wirst du mir versprechen, meine wahre Identität weiterhin geheimzuhalten? Es ist unerläßlich, daß ich auch weiterhin als Abdul Ibn Harun auftrete.«
Collop versprach, auch weiterhin zu schweigen. Es tat ihm allerdings leid, daß Burton davon absehen wollte, Göring noch einmal zu sehen, da er so nicht erkennen würde, zu welchen Wundern Glaube und Liebe imstande waren, selbst wenn es sich um eine Seele handelte, die sich beinahe selbst aufgegeben hatte. Er nahm Burton mit in seine Hütte und stellte ihm seine Frau vor, eine kleine, zierliche Brünette, die sehr
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