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Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auf dem Zeitstrom
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schon genug gelitten für das, was ich getan habe – und noch mehr für das, was ich nicht getan habe?«
    Als der Tod zu ihm gekommen war, war er darüber glücklich gewesen, denn er bedeutete das Ende allen Leidens. Das Klagen über die Krankheit und den Tod seiner Frau und seiner Töchter würde damit ein Ende haben, hatte er gedacht; und ebenso würden ihn die Schwermut und die Trauer verlassen, die sich seit dem Tode seines einzigen Sohnes, für den er sich persönlich verantwortlich fühlte, in seinem Herzen eingenistet hatten. Hatte es an seiner Gleichgültigkeit gelegen oder war es einfach unvorsichtig gewesen, daß er den kleinen Langdon mit zu dünner Kleidung auf diese Eisenbahnfahrt mitgenommen hatte an diesem kalten Wintertag?
    »Nein!« sagte Sam so laut, daß Joe sich plötzlich rührte und der Rudergänger erschreckt etwas auf norwegisch murmelte.
    Sam schmetterte seine rechte Faust in die flache Hand seiner Linken. Joe murmelte etwas.
    »Mein Gott«, schrie Sam, »warum mache ich mir jetzt noch Selbstvorwürfe wegen dem, was ich früher getan habe? Es spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle mehr! All das liegt nun hinter uns – und wir haben mit völlig weißen Westen einen neuen Anfang gemacht.«
    Aber natürlich spielte es einen Rolle. Es machte keinen Unterschied, daß alle Toten jetzt wieder lebten, die Kranken wieder gesund waren und die Untaten, die man vollbracht hatte, in Zeit und Raum hinter ihnen zurückgeblieben und vergessen waren. Egal, was die Menschen auf der Erde gedacht und getan hatten: Das gleiche dachten und taten sie jetzt auch hier.
    Sam wurde plötzlich von dem Wunsch beseelt, ein Stück Traumgummi zu haben. Er wollte vergessen, alle Geschehnisse der eigenen Vergangenheit abschütteln und einfach nur glücklich sein.
    Aber Traumgummi konnte den Abscheu vor sich selbst ebenso gut verstärken. Es war niemals auszuschließen, daß man sich, wenn man das Zeug kaute, nicht selbst einem solchen Grauen aussetzte, daß man sich nur noch den Tod wünschte. Beim letzten Mal, als er das Zeug genommen hatte, hatten ihn solch schreckliche Monster gepeinigt, daß er davon abgekommen war und sich die Droge seither vom Leibe hielt. Vielleicht würde es diesmal… Nein!
    Der kleine Langdon. Er würde ihn niemals wiedersehen – niemals! Sein Sohn war erst achtundzwanzig Monate alt gewesen, als er gestorben war – und das bedeutete, daß er nicht zu denjenigen gehören konnte, denen das Leben in diesem Flußtal erneut geschenkt worden war. Nur die Kinder, die zum Zeitpunkt ihres Todes wenigstens fünf Jahre alt gewesen waren, hatten eine weitere Chance bekommen. Zumindest auf dieser Welt. Es gab allerdings Gerüchte, die besagten, daß sich die kleineren Kinder an einem anderen Ort, möglicherweise sogar auf einem anderen Planeten aufhielten. Aus irgendeinem Grund hatten jene, die für die Wiedererweckung der Menschheit verantwortlich waren, darauf verzichtet, sie mit den größeren Kindern und Erwachsenen zusammenzubringen. Das bedeutete, daß Sam ihn niemals wiederfinden und um Vergebung bitten konnte.
    Aber ebenso wenig würde er je wieder auf Livy oder seine Töchter Sarah, Jean und Clara stoßen. Das war unmöglich an den Ufern eines Stromes, von dem man sagte, daß er mindestens zwanzig Millionen Meilen lang war, und an dem schätzungsweise siebenunddreißig Milliarden Menschen lebten. Selbst wenn er sich aufmachte und vom Anfang des Flusses zu Fuß seinem Ende entgegenstrebte, ohne einen Menschen zu verpassen, würde er es nicht schaffen. Wie lange müßte er dazu unterwegs sein? Selbst wenn er eine Quadratmeile pro Tag absuchte, würde er für diese Reise grob gerechnet über 109.000 Jahre benötigen.
    Und selbst wenn jemand dazu in der Lage sein sollte und das Glück hatte, jeden Menschen zu treffen, der an den Ufern des Flusses lebte, konnte er am Ende der Reise immer noch vor dem Problem stehen, den Gesuchten nicht angetroffen zu haben, denn der konnte in der Zwischenzeit längst an irgendeiner Stelle gestorben sein und sich nun an einem Ort befinden, den der Suchende bereits seit fünfzigtausend Jahren hinter sich gelassen hatte. Ebenso gut konnte man einander natürlich auch in der Zeit verpassen, in welcher der Suchende schlief, weil der Gesuchte möglicherweise ebenfalls die Spuren des anderen verfolgte.
    Aber vielleicht gab es eine andere Möglichkeit. Diejenigen, die diese Welt erschaffen hatten, waren möglicherweise auch in der Lage, den Standort jedes einzelnen Menschen,

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