Farmer, Philip José - Flusswelt 04
auch viele Zweimaster – waren bis in den letzten Winkel mit Männern und Frauen vollgestopft. Hinter den Booten kamen Horden von Schwimmern. Als es hell wurde, war – so weit das Auge zu blicken vermochte – der Wasserspiegel mit Booten und Schwimmern bedeckt. Die Verteidiger nahmen die aus Booten bestehende Angriffsspitze mit allen Raketen und Bögen unter Beschuß, die sie hatten. Dessen ungeachtet legten die meisten der Boote an. Die Invasoren vom rechten Ufer stürmten an Land.
Eingekeilt zwischen zwei Armeen, schlug die Rex sich tapfer. Ihr Beschuß säuberte das Umfeld der Gralsteine, und die Amphibienfahrzeuge rollten flammenspuckend auf ihren Raupenketten ihrem Ziel entgegen. Während sie gleichermaßen Verteidiger und Angreifer in Schach hielten, schwang der Kran der Henry die Kappe über den Stein.
Die Gralsteine donnerten. Der Kran riß die Kappe sofort wieder hoch und ließ sie im Inneren der Henry verschwinden.
Als die Beiboote wieder ins Schiff zurückgekehrt waren, erteilte John den Befehl, die Anker zu lichten. »Und dann mit voller Kraft voraus!«
Aber das war leichter gesagt als getan.
Der Druck, den die feindlichen Schiffe auf die Rex ausübten, war so groß, daß man nur langsam von der Stelle kam. Während die Schaufelräder sich ins Wasser gruben und der Bug der Rex mehrere große Segler zerschmetterte und kleinere auf Grund schickte, wurde das Schiff von den Bewohnern des rechten Uferstreifens unter Beschuß genommen. Einigen Männern und Frauen gelang es sogar, sich an der Reling des Kesseldecks festzuklammern, aber man entledigte sich ihrer ziemlich schnell.
Schließlich riß die Rex sich los und hielt auf das andere Ufer zu. Dort begab es sich in eine sanftere Strömung und fuhr flußaufwärts weiter. Hinter ihr nahm die Schlacht ihren Fortgang.
Gegen Mittag mußte John die Entscheidung fällen, ob man eine erneute Energiefüllung vornehmen sollte. Nachdem er eine Minute nachgedacht hatte, gab er den Befehl, das Schiff an einem großen Dock vor Anker gehen zu lassen.
»Wir lassen sie sich gegenseitig umbringen«, sagte er. »Wir haben genug geräucherte und getrocknete Lebensmittel, um uns bis morgen über Wasser halten zu können. Übermorgen füllen wir dann alles wieder auf. Bis dahin müßte das Gemetzel beendet sein.«
Die rechte Uferseite bot in der Tat einen seltsamen Anblick, denn man hatte sich inzwischen dermaßen an die Scharen der lauten, schwatzenden und lachenden Flußtalbewohner gewöhnt, daß einem unbevölkerte Gebiete geradezu einen Schrecken einjagten. Dort, wo sich die Rex nun befand, war außer ein paar weisen oder ängstlichen Personen, die sich nicht dazu hatten durchringen können, ihre Bäuche auf Kosten anderer zu füllen, keine Menschenseele zu erblicken. Die Hütten, Langhäuser und größeren Staatsgebäude waren ebenso leer wie die Ebenen und Hügelgebiete. Da auf diesem Planeten weder Säugetiere noch Vögel, Insekten oder Reptilien existierten, wurde das einzig hörbare Geräusch vom Wind erzeugt, der die Blätter einiger Bäume bewegte.
Inzwischen schien den Kämpfenden auf der anderen Seite des Stromes das Schießpulver ausgegangen zu sein, und die Rexiten vernahmen nur noch gelegentlich das leise Hintergrundgemurmel, das von Leuten herrührte, die ihrer Wut, ihrem Hunger, ihrem Schmerz oder Tod gepreßt Ausdruck verliehen.
Die Kämpfe der beiden letzten Tage hatten die Rex dreißig Tote und sechzig Verletzte gekostet. Zwanzig der Verwundeten hatten ernsthaft etwas abbekommen, obwohl man vielleicht hinzufügen sollte, daß jeder, der verletzt wird, seine Wunde für ernsthaft hält. Nach einer kurzen Zeremonie wurden die Toten in beschwerte Fischhäute gesteckt und in der Mitte des Flusses über Bord geworfen. Natürlich waren die Fischhäute absolut nutzlos; man verwendete sie lediglich deswegen, um den Überlebenden depressive Gedanken zu ersparen. In Wirklichkeit würden die Fische die Schutzhäute zerreißen und die Leichen verschlingen, bevor sie auch nur den Boden berührten.
Am linken Flußufer wimmelte es nur so von dahintreibenden Leichen. Gleichzeitig waren die Fische damit beschäftigt, das blutrote Wasser von ihnen zu befreien. Einen ganzen Monat lang machten die treibenden Leichen aus dem Fluß eine Kloake. Offensichtlich waren überall Kämpfe ausgebrochen. Es würde eine ziemlich lange Zeit dauern, bis die Toten alle verschwunden waren. Die Fische schienen sich in einem Blutrausch zu befinden. Sogar die gigantischen Flußdrachen
Weitere Kostenlose Bücher