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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Sex. Nicht, dass
es bei ihm bald so weit gewesen wäre, Gott, in hundert Jahren nicht, aber
trotzdem, bestimmt hatte er wahnsinnig große Angst davor, dass er mal vor einer
nackten Frau stehen könnte.
    Dann doch lieber Unreal Tournament.
     
    3
     
    Da Francis nicht zu Hause übernachten wollte,
stiegen sie in den gebrauchten Chevy, den Grover zum Führerschein geschenkt
bekommen hatte. Seine Eltern waren wohlhabend; seinem Vater gehörte Spin
Technology, eine Firma, die Virenabwehrprogramme herstellte, und seine Mutter
war Anlageberaterin. Sie wohnten in einem weißen Schindelholzhäuschen in der
Innenstadt. In dieser Gegend wuchsen überall Ahornbäume, und die Straßen
trugen verheißungsvolle Namen wie Lincoln Lane, Dublin Avenue oder Seahaven
Boulevard. Bevor Francis mit seiner Mutter hatte wegziehen müssen, waren die
Chedwicks ihre Nachbarn gewesen.
    „Oh, Frank, mein Armer“, sagte Grovers Mutter, als
sie ihn sah. „Ich hab das mit Katherine gehört!“ Sie kam auf Francis zugelaufen
und umarmte ihn lange. „Hey, Terry, Frank ist da.“
    Es polterte, dann streckte Grovers Vater -
hundertzwanzig Kilo, Bart und Baseballcap - den Kopf zur Tür rein. „Ach,
Frankie!“ Er haute Francis auf die Schulter. „Ist eine schlimme Zeit, ich weiß.
Aber ich bin sicher, deiner Mutter geht's bald wieder gut.“
    Francis nickte. Sicher würde es seiner Mom bald
wieder gutgehen, das Problem war nur, dass es ihr auch irgendwann wieder
schlechtgehen würde. Weil sie aus ihrem Teufelskreis aus Männern, manischer
Depression und Klinikaufenthalten einfach nicht mehr rauszukommen schien.
    Zum Abendessen gab es Koteletts und Salat. Francis
beobachtete, wie die Chedwicks genussvoll das Fleisch kleinschnitten und es
sich in den Mund schoben. Beide waren ziemlich übergewichtig, Sex hatten sie
bestimmt keinen mehr. Sie hatten das Lustzentrum vom Schlafzimmer in die Küche
verlegt. Das war aber okay, weil es für sie zu funktionieren schien. Ihre
Lebenseinstellung lautete ungefähr so: „Wenn du mal nicht weiterweißt, schmeiß
ein Steak auf den Grill.“ Francis fand das in Ordnung. Das Motto seiner Mom war dagegen offenbar: „Wenn
du nicht weißt, was du tun sollst, schlaf einfach mit dem erstbesten Typen.“
Nicht unbedingt zu empfehlen.
    Anders als seine Eltern aß Grover nichts, er trank
nur Saft. Er schien das Essverhalten einer Boa constrictor zu haben. Er fastete
zwei, drei Tage, dann fraß er auf einen Schlag wahnsinnig viel, gleich mehrere
Pizzen oder Steaks, und die verdaute er dann wieder tagelang. Vielleicht war er
deshalb so dürr.
    Den Abend verbrachten sie in Grovers Zimmer. Die
Chedwicks hatten das Souterrain saniert, und dort unten hauste Grover nun wie
eine Kellerassel in einem Raum mit mehreren Rechnern, einem Schachbrett und
Postern von Lara Croft und dem Drummer von Rush. Grover hatte selbst ein
Schlagzeug, und wenn er nicht am Computer saß, spielte er stundenlang darauf.
Früher war er der Drummer in einer Band gewesen, bis sie ihn rausgeworfen
hatten. Das war der Genickschuss für sein Sozialleben gewesen, seitdem spielte
er nur noch allein.
    Mr. Chedwick kam noch mal ins Zimmer, um mit Grover
zu besprechen, was sie am Wochenende zusammen machen wollten. „Und am
Sonntagnachmittag gehen wir mit meinen Jungs Pool spielen“, sagte er. „Abgemacht?“
    Grover stöhnte auf. „Nur, wenn du versprichst, dass
du nicht wieder deinen komischen Tanz aufführst, wenn du gewinnst.“
    Sein Vater lachte. „Du meinst den hier?“ Er bewegte
seinen massigen Körper unrhythmisch im Kreis und schwang dazu die Arme. Es sah
komisch aus, auch Francis musste lachen. Er lag abseits auf seiner Matratze und
beobachtete, wie sich Grover und sein Dad neckten. In solchen Momenten fragte
er sich, wo wohl sein eigener Vater war, ob er ihm auch so gute Nacht gesagt
hätte oder ob er Kinder hatte, bei denen er es tat. Ihn quälte der Gedanke,
dass sein Vater nichts von ihm wusste und dass er vielleicht all die Jahre gern
für ihn da gewesen wäre, aber nie von seinem Sohn erfahren hatte. Irgendwo da
draußen war er jedenfalls, das konnte Francis spüren.
     
    Nach dem Lichtlöschen redeten Grover und er darüber,
was sie später machen wollten. Francis erzählte von Anthony Kramer, der mit
ihm früher in der Schulmannschaft gewesen war und vor zwei Jahren den
High-School-Abschluss gemacht hatte. „Weißt du noch? Damals hat er allen
gesagt, dass er später mal in Boston leben wird. Und weißt du, wo ich ihn
neulich getroffen

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